Der Europäische Gerichtshof kassiert das „Safe Harbour“-Abkommen mit den USA

Das Urteil des Luxemburger Gerichtshofs stellt nicht nur eine harsche Kritik am transatlantischen Gemauschel dar, sondern dürfte auch die Verhandlungen um das TTIP weiter erschweren.

Der EuGH fällte gestern in Luxemburg ein bemerkenswertes Urteil. Foto: Cédric Puisney, Brussels, Belgium / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg könnte so etwas wie ein Meilenstein in den transatlantischen Beziehungen werden. Denn der EuGH hat schlicht und ergreifend das „Datenschutzabkommen“ zwischen der EU und den USA, auch „Safe Harbour“-Abkommen genannt, einkassiert. Die EU habe nicht das Recht, so die Begründung, sich über die nationalen Datenschutzbestimmungen der EU-Mitgliedsstaaten hinweg zu setzen. Dazu stellte das Gericht fest, dass personenbezogene Daten in den USA nicht vor einem unzulässigen Zugriff durch die amerikanischen Behörden geschützt sind – eine deutliche Kritik an den Praktiken der NSA und den an der NSA angeschlossenen Geheimdiensten.

In den USA, so der EuGH, ist das „Grundrecht auf Achtung der Privatsphäre“ nicht gewährleistet – seit den Anschlägen vom 11. September 2001 herrscht bei den US-Geheimdiensten eine ans Pathologische grenzende Datensammelwut, die sich nicht etwa auf die USA beschränkt, sondern, wie man spätestens seit dem BND-Skandal weiß, längst mit Hilfe befreundeter Geheimdienste auf die ganze Welt ausgedehnt hat. Daher erklärte der EuGH, dass die EU-Kommission, die das „Safe Harbour“-Abkommen mit den USA ausgehandelt hatte, ihre Kompetenzen überschritten habe, weswegen dieses Abkommen ungültig sei.

Das Urteil stärkt natürlich die Rolle der nationalen Datenschutzbehörden, die, zumindest auf dem Papier, frei entscheiden können, wer welche personenbezogenen Daten künftig einsehen darf. So mutig die Entscheidung des EuGH auch ist, so sehr sie ein mehr als seltsames Licht auf die gerade laufenden Geheimverhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP wirft, das den USA ähnlich weitreichende Rechte in Europa einräumt wie das nun für ungültig erklärte „Safe Harbour“-Abkommen, so sehr wirft das Urteil auch Fragen auf. Vor allem die Frage nach der Praxis.

Denn auch bisher haben nicht-amerikanische Geheimdienste auf Anweisung aus den USA geltendes Recht gebrochen und Unmengen Daten, die sie im Auftrag der USA eingesammelt hatten, illegalerweise den Kollegen in den USA zur Verfügung gestellt. Auch, wenn die Taktik der Regierung, den BND-Skandal im Sande versickern zu lassen, offenbar funktioniert (über diesen Skandal spricht heute niemand mehr), so ist doch offenbar, dass sich die Geheimdienste in den letzten Jahrzehnten zu einer Art „Staat im Staat“ entwickelt haben und längst keiner Kontrolle mehr unterworfen sind, die diesen Namen verdienen würde.

Werden die Dinge also künftig tatsächlich anders gehandhabt werden? Werden die USA nicht Mittel und Wege finden, sich diejenigen Daten, die sie haben wollen, auch anders zu besorgen? Nach dem Motto „legal, illegal, scheißegal“?

Und erneut wundert man sich, warum die EU-Kommission weiterhin Abkommen mit den USA zum Nachteil der Europäerinnen und Europäer aushandelt. Mit dem Argument der „Sicherheit“ hat der Ausverkauf individueller Rechte längst begonnen und die USA haben in vielen Bereichen bereits weitaus mehr Zugriffsmöglichkeiten auf den Rest der Welt, als dies gesund ist. Ein Grund mehr, das ohnehin von allen Seiten mehr als kritisch betrachtete TTIP endgültig zu stoppen – es gibt keinen Grund, den USA ohne Not die Schlüssel zum europäischen Haus in die Hand zu drücken. Auch das steht zwischen den Zeilen des gestern in Luxemburg gefällten Urteils.

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