Der europäische Klimanotstand

Das Europäische Parlament in Straßburg hat gestern den „Klimanotstand“ ausgerufen. Wenngleich das noch nichts zu bedeuten hat, so ist die Symbolik doch aussagekräftig.

Das Europäische Parlament will die Welt nicht den wirtschaftlichen Interessen opfern. Jetzt heisst es "liefern"... Foto: Gerhard Mester / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Hätte Greta Thunberg eine Abstimmung über den „Klimanotstand“ beantragt, wäre wahrscheinlich die Mehrheit der Europa-Abgeordneten dagegen gewesen. Da aber der Beschlussantrag vom Vorsitzenden des Umweltausschusses, dem Franzosen Pascal Canfin kam, der immerhin schon mal Vorsitzender des WWF Frankreich war, wurde er eben mit großer Mehrheit angenommen. Auch, wenn sich einige Unions-Abgeordneten aus Deutschland an dem Begriff störten.

429 EU-Abgeordnete stimmten für den Antrag, 225 waren der Ansicht, dass es dem Klima in Europa prächtig geht und wieder einmal enthielten sich 19 Abgeordnete der Stimme. Immer wieder fragt man sich, wie es sein kann, dass so viele Europa-Abgeordnete zwar üppig Diäten einkassieren, aber zu den wichtigen Themen der heutigen Zeit keine Meinung haben. Aber ob man solche meinungsschwachen Abgeordneten tatsächlich braucht, das wollen wir heute mal nicht diskutieren.

Was also bedeutet der gestern ausgerufene „Klimanotstand“, den einige Unions-Abgeordnete lieber „Klima-Notfall“ genannt hätten, weil sie der Begriff an die „Notstandsgesetze“ in der Nazizeit erinnerten? Er bedeutet konkret – nichts. Das Ausrufen des „Klimanotstands“ löst keinen Notfallplan aus, führt zu keinerlei Maßnahmen, verpflichtet niemanden, etwas zu tun oder zu lassen. Die Folgelosigkeit dieses Beschlusses erleichterte es dann sicherlich auch dem einen oder anderen Abgeordneten, dafür zu stimmen. Also völlig nutzlos?

Nein, nutzlos ist dieser Beschluss nicht – er stellt eine moralische Verpflichtung für das institutionelle Europa dar, ihr Handeln tatsächlich nach den Maßgaben des Klima- und Umweltschutzes auszurichten. Hatte nicht am Vortag die ab Sonntag amtierende neue Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen angekündigt, die EU würde eine Billion Euro in den Klima- und Umweltschutz investieren? Wenn sie es jetzt noch hinbekommt, dass dieses Geld nicht über den EU-Kommissar Thierry Breton, die Symbolfigur des Heuschrecken-Kapitalismus, in den falschen Händen landet, dann wäre das ja ein guter und wichtiger Schritt!

Bei Greta konnten noch alle jaulen, weil die Schwedin mit ihren 16 Jahren der personifizierte Vorwurf an die älteren Generationen war, Europa und die Welt an die Wand gefahren zu haben. Doch wenn das Thema von Ursula statt von Greta präsentiert wird, dann wird aus Klima- und Umweltschutz auf einmal ein ernstzunehmendes und wichtiges Thema. Genau das sagt dieser Beschluss aus, nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Das Europäische Parlament hat damit für die nun gestartete Legislaturperiode die Latte hoch gelegt und wird sich daran auch messen lassen müssen. Die 225 Abgeordneten, die nicht der Ansicht waren, dass wir gerade einen „Klimanotstand“ erleben, werden irgendwann einmal erklären müssen, warum sie dieser Ansicht sind. Die 19 Abgeordneten, die sich enthalten haben, sollten sich einen neuen Job suchen. Und die Unions-Abgeordneten, die einen linguistischen Vergleich mit der Nazizeit herbeigeredet und kritisiert haben, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie offenbar nicht in der Lage sind, die richtigen politischen Prioritäten zu setzen.

Und jetzt sind wir alle gespannt, ob in den Jahren dieses neuen europäischen Mandats tatsächlich ein „grünes“ Zeitalter anbricht. Oder wenigstens ein „grüneres“…

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