Der Fehler liegt im System
Wenn man sieht, wer heute die Geschicke der Welt lenkt, dann muss man sich die Frage stellen, wie man die politischen Parteien reformieren kann, damit diese nicht mehr solche Kandidaten aufstellen.
(KL) – Boris Johnson und Donald Trump. Donald Trump und Nigel Farage. Nigel Farage und Boris Johnson. Das sind also die Politiker, die momentan dafür entscheidend sind, wie es mit Großbritannien, mit der EU und mit den transatlantischen Beziehungen weitergeht. Das ist wenig beruhigend und man muss sich nun dringend die Frage stellen, wie man die Parteien reformieren kann, so dass diese aufhören, Kandidaten und Kandidatinnen zu benennen, die ganz offensichtlich nicht die hellsten Köpfe ihrer jeweiligen Länder sind. Die Tatsache, dass solche Leute Kandidaten bei Wahlen sein und gewählt werden können, zeigt deutlich, dass die politischen Parteien die Ursache für all die aktuellen Krisen in der Welt sind.
Sind Annegret Kramp-Karrenbauer und Andrea Nahles tatsächlich die „besten“ Köpfe, die Deutschland aufbieten kann? Gibt es in Frankreich wirklich keine besseren Politiker als Emmanuel Macron und Marine le Pen? Stellen Nigel Farage, Theresa May, Jeremy Corbyn und Boris Johnson wirklich das Beste dar, was die Briten intellektuell hervorbringen können? Was ist mit Erdogan, Orban, Kurz? Was ist mit Salvini, Kaczinski oder Juncker? Haben wir wirklich die Politiker, die wir verdienen?
Wenn Boris Johnson und Donald Trump gemeinsam über einen „Hard Brexit“ phantasieren, dann sollte man die Notbremse ziehen und anfangen, die Parteien zu reformieren, die solche Kandidaten ins Rennen schicken. Die Wählerinnen und Wähler in den meisten europäischen Ländern haben das verstanden und verweigern inzwischen fast systematisch den traditionellen Parteien Stimme und Gefolgschaft. Doch kommt diese Botschaft offenbar in den Parteizentralen immer noch nicht an.
Die Bürgerinnen und Bürger können letztlich nur für diejenigen Kandidaten und Kandidatinnen abstimmen, die ihnen angeboten werden. Nicht einmal Vorwahlen, wie sie in vielen Ländern inzwischen üblich sind, können dies ändern, da sich sowohl Politiker als auch Parteien daran gewöhnt haben, die Ergebnisse solcher Vorwahlen zu ignorieren, wenn die Menschen anders abstimmen, als sich die Parteioberen das gewünscht haben. Das beste Beispiel dafür ist Benoît Hamon, der 2017 die Vorwahlen der französischen Linken und damit den Platz des Kandidaten für die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte. Kaum wurde sein Sieg bekannt, verrieten ihn praktisch alle seine „linken“ Konkurrenten und starteten eigene und konkurrierende Listen. Ergebnis – Hamon landete bei rund 6 % im ersten Wahlgang und kann nicht einmal in die Stichwahl.
Die Verzweiflung der Wählerinnen und Wähler ist inzwischen so groß, dass jeder, der behauptet, er würde alles anders machen, gewählt werden kann. Wie der französische Präsident Emmanuel Macron, der es zwar schaffte, das bestehende politische Establishment zu zerschlagen, ohne aber einen Plan zu haben, wie die von ihm vollmundig angekündigte „neue Welt“ aussehen soll. Also baut die französische Regierung nun einen repressiven Apparat rund um die „Alte Welt 2.0“ auf und diese „Alte Welt 2.0“ funktioniert genauso wie die „Alte Welt 1.0“, nur etwas moderner, etwas repressiver, etwas totalitärer.
In Deutschland ist es inzwischen so weit, dass die SPD händeringend nach einem Nachfolger für Andrea Nahles suchen muss – die Zeiten, in denen sich potentielle Kandidaten für exponierte Ämter drängelten, sind auch vorbei.
Die politische Zukunft wird denjenigen Parteien gehören, die es schaffen, mit ihren eigenen Automatismen zu brechen. Kandidaturen sollten nach Kompetenzen und nicht innerhalb von Seilschaften vergeben werden und alle Parteien sind aufgefordert, bessere Kanäle zwischen der Basis und den Abgeordneten auf allen Ebenen einzurichten. Natürlich ist es nicht einfach, über Jahrzehnte gewachsene Strukturen und Abläufe zu verändern, doch genau das werden die Parteien machen müssen, wenn sie überleben wollen.
Aber Hand auf’s Herz – kann wirklich irgendjemand wollen, dass die beiden Blondchen Donald Trump und Boris Johnson über unser aller Zukunft entscheiden? Es wird wirklich Zeit, dass wir Wählerinnen und Wähler uns emanzipieren und anfangen, aktiv in den Parteien mitzuwirken und die dringend benötigten Reformen der Parteien selbst in die Hand zu nehmen. Das Schicksal der Welt in die Hände von Leuten wir Trump und Johnson zu legen, das kann auf Dauer nicht gutgehen.
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