Der französische Senat – das unbekannte Wesen

Der französische Senat ist die zweite gesetzgebende Kammer des französischen Parlaments. Oft vergleicht man ihn mit dem deutschen Bundesrat. Dieser Vergleich hinkt allerdings.

So sehen die Sitze im französischen Senat aus. Gut gepolstert, gut dotiert und irgendwie anachronistisch. Foto: FLLL / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Am 28. September findet in Frankreich eine Wahl statt, die im Ausland, aber auch in Frankreich kaum Beachtung findet. Nicht, weil sie nicht wichtig wäre, sondern weil man sie nicht versteht. Weder ist klar, was genau der Senat macht, noch versteht man das hoch komplizierte Wahlverfahren.

Technisch ist der Senat das „Unterhaus“ der französischen Nationalversammlung. Doch auch, wenn die französische Verfassung vorsieht, dass alle neuen Gesetze von beiden Kammern, also Nationalversammlung und Senat, verabschiedet werden, setzt sich im Zweifelsfall das Parlament durch, nachdem Charles de Gaulle den Senat, für dessen Wiedereinführung er sich 1959 stark gemacht hatte, deutlich geschwächt hatte und diese Schwächung hält bis heute an. Im Falle einer ernsthaften Meinungsverschiedenheit zwischen Nationalversammlung und Senat hat die Nationalversammlung mehrere Eingriffsmöglichkeiten, um den Senat faktisch auszuschalten. Somit hat der Senat im Laufe der Jahre eine immer stärkere Beratungsfunktion erhalten, kann aber letztlich politisch nichts selbst entscheiden.

Auch das Wahlsystem mit Wahlmännern ist schwierig zu verstehen. Als Faustregel gilt, dass ländliche Gegenden proportional stärker im Senat vertreten sind als die Stadtbevölkerung und dass das eigentliche Wahlverfahren kaum zu durchschauen ist, da sich die Prozedur zum Teil von Departement zu Departement unterscheidet. Sie wollen es gerne mal richtig kompliziert haben? Dann ist das hier für Sie:

Artikel 24 der französischen Verfassung sieht vor, dass die Senatoren von so genannten „Wahlkollegien“ von Wahlmännern (und -frauen) gewählt werden. Wahlmänner und –Frauen sind Abgeordnete, die das Departement auf nationaler, regionaler oder Departement-Ebene vertreten, also die Abgeordneten der Nationalversammlung, die Abgeordneten des Regionalrats und die Abgeordneten des Generalrats (also der Departements). Aber diese Abgeordneten machen nur 5 % der Wahlmänner aus. Die anderen 95 % sind Gemeindevertreter, die von ihren jeweiligen Kommunalparlamenten ernannt werden. So.

Allerdings wird nicht der komplette Senat neu gewählt, sondern seit 2004 steht jeweils die Hälfte der Senatorenposten zur Erneuerung an (wobei die Senatoren beliebig oft für ein neues Mandat kandidieren können), vorher war es sogar nur ein Drittel. Was in der Praxis bedeutet, dass sich Veränderungen in der Zusammensetzung des Senats über Generationen hinziehen können.

Bevor es jetzt zu einfach oder gar verständlich wird, sei darauf hingewiesen, dass die Wahlprozedur für Departements, die mehr als vier Senatoren in den Senat schicken, eine andere ist als für Departements, die weniger Senatoren stellen. Während die größeren Departements das d`Hondt’sche, proportionale Verteilungssystem anwenden, kommt in den kleineren Departements das „Romanische Mehrheitswahlrecht“ zum Tragen, das unter anderem das Panaschieren vorsieht, also die Möglichkeit, Stimmen an Kandidaten auf verschiedenen Listen zu verteilen.

Zum Beispiel wird es am 28. September im Elsass nicht weniger als 2727 Wahlmänner- und Frauen geben, die fünf Senatoren wählen werden. Dass diese Art Wahlen nur noch schwer vermittelbar ist, so dass sich nicht einmal mehr die Franzosen selbst für diese Wahl interessieren, ist auch irgendwo klar. Vor allem nicht für ein Verfassungsorgan, das in der Praxis nicht mehr viel zu sagen hat und im Höchstfall eine Art verzögernde Hinhaltepolitik machen kann, letztlich aber nichts ermöglicht oder verhindert. Insofern stimmt der Vergleich mit dem deutschen Bundesrat eben doch nicht – dieser spielt in Deutschland eine wesentlich aktivere politische Rolle als der Senat in Frankreich.

Dennoch sind die Wahlen am 28. September sehr wichtig. Denn 2011 hatte die PS mit ihren Partnern erstmals seit langer Zeit die Mehrheit im Senat errungen, was eigentlich einen reibungslosen Gesetzgebungsprozess zwischen beiden Kammern ermöglichen sollte. Angesichts der vermutlich in die französischen Geschichtsbücher eingehenden Schwäche der aktuellen Regierung ist aber durchaus denkbar, dass die PS ihre Mehrheit im Senat gleich wieder verliert. Und dies könnte eine große Auswirkung auf die zweite Hälfte der Präsidentschaft von François Hollande haben. Denn sollten die Mehrheitsverhältnisse im Senat kippen, könnten die Konservativen die politischen Projekte der Regierung so verzögern, so dass bis 2017 nicht mehr viel geht. Davon betroffen ist vor allem die Gebietsreform, die von viel Kritik und Unruhe begleitet wird, aber auch Themen wie die Energiewende oder dringend notwendige Konjunkturprogramme.

Wie der französische Senat nach dem 28. September aussehen wird, erfahren Sie auf Eurojournalist(e). Und auch, was die Ergebnisse für die kommenden zweieinhalb Jahre für Frankreich bedeuten.

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