Der französische Weg zu mehr Parlamentarismus führt über ihn

Frankreich hat sich bei der vorgezogenen Parlamentswahl für mehr Parlamentarismus entschieden. Doch der Weg dahin führt über den LFI-Chef Jean-Luc Mélenchon und – Emmanuel Macron.

Jean-Luc Mélenchon könnte sich als echtes Hindernis für Frankreichs Weg zu mehr Parlamentarismus herausstellen. Foto: Fernanda LeMarie / Cancilleria del Ecuador / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Der bisherige Alleinherrscher über Frankreich Emmanuel Macron hat entschieden – die bisherige Regierung bleibt, trotz der verlorenen Wahl, vorerst im Amt. Bei der linken „Nouveau Front Populaire“, die im neuen Parlament die stärkste Fraktion stellt, laufen die Diskussionen, wen man als nächsten Regierungschef vorschlagen will. Und das wird schwierig. Denn der Chef der „La France Insoumise“ (LFI) Jean-Luc Mélenchon ist bei der Mehrheit der Franzosen ebenso verhasst wie der Präsident selbst und sollte Mélenchon („L’état, c’est moi !“) auf dieser Nominierung bestehen, dann dürfte die „Neue Volksfront“ (NFP) auch schon wieder Geschichte sein. Währenddessen spielt Emmanuel Macron auf Zeit und denkt fieberhaft darüber nach, wie er sich trotz seiner Wahlschlappe an der Macht halten kann.

Viele Franzosen hatten sich am Sonntag sehr darüber gefreut, dass das rechtsextreme „Rassemblement national“ (ex-Front national) nicht nur klar die Mehrheit im neuen Parlament verpasst hat, sondern vom Griff nach der Macht abgehalten werden konnte. Doch der Preis dafür ist ein Mehr an Parlamentarismus und entgegen der französischen Gepflogenheiten sind die Parteien dazu verdammt, mit inhaltlich und personell tragfähigen Koalitionen eine neue Regierung zu bilden. Dies dürfte mit der LFI und Jean-Luc Mélenchon ein fast aussichtsloses Unterfangen sein, doch ist innerhalb der „Neuen Volksfront“ seine LFI die stärkste Einzelpartei und daraus leitet sich der Anspruch der LFI ab, den nächsten Premierminister zu nominieren. Doch sollte Jean-Luc Mélenchon nominiert werden, dürften dabei weder die Sozialisten, noch die Grünen und schon gar nicht die Macron-Partei „Renaissance“ mitspielen. Nun lautet die Frage, ob Jean-Luc Mélenchon in der Lage ist, zum Wohle Frankreichs sein überdimensioniertes Ego zurückzustellen und den Weg für einen gemäßigten Kandidaten oder eine gemäßigte Kandidatin aus dem linken Spektrum freizumachen.

Doch Jean-Luc Mélenchon ist nicht das einzige Hindernis auf Frankreichs Weg zu mehr Parlamentarismus und Demokratie – das mindestens ebenso große Hindernis ist Emmanuel Macron, der aller Voraussicht nach das versuchen wird, was er am besten kann – politische Gegner kaltzustellen. Hierfür könnte es bereits reichen, dass er ein „Koalitions-Angebot“ an die konservativen „Les Républicains“ und die gemäßigten Kräfte in der „Neuen Volksfront“ macht, was für diese linke Fraktion eine Nagelprobe wäre und bereits frühzeitig die linke Einigkeit beenden könnte.

Das neue französische Parlament ist allerdings zum Erfolg verdammt, denn sollte es nach den Olympischen Spielen nicht zu einer neuen Regierungsbildung kommen, dürfte Frankreich wieder auf den Hinterbeinen stehen. Selbst ein Emmanuel Macron wird es sich nicht leisten können, längerfristig seine aktuelle Regierung unter Gabriel Attal im Amt zu belassen und somit die Wahlergebnisse und den politischen Willen der Franzosen einfach zu ignorieren.

In Lauerstellung verharrt weiterhin das rechtsextreme Lager, dem es momentan gar nicht so unrecht ist, in einer derart schwierigen Lage nicht die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Doch klar ist, dass wenn sich das neue Parlament nicht zusammenraufen kann, bei den nächsten Wahlen die Machtübernahme durch die Rechtsextremen kaum noch zu verhindern sein dürfte.

Dass in dieser delikaten Situation weiterhin Emmanuel Macron das Heft des Handelns in der Hand hält, ist beunruhigend, denn die „Macronie“ hat in Frankreich ausgedient. Doch stehen dem Mann noch verschiedene Verfassungstricks zur Verfügung, mit denen er noch für die eine oder andere unangenehme Überraschung sorgen kann. Dass die „braune Welle“ am Sonntag gestoppt wurde, ist eine Sache, doch die eigentliche politische Arbeit beginnt jetzt erst. Und dabei ist das Ergebnis offen.

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