Der hilflose Ruf der französischen Linken

Christiane Taubira hat die Vorwahlen der verschiedenen linken Gruppierungen gewonnen. Doch ist das Ergebnis dieser Vorwahlen nicht etwa die Union der Linken, sondern das Gegenteil.

Christiane Taubira hat einen Sieg errungen, über den sie sich nicht sehr freuen kann... Foto: ActuaLitté / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Richtig überraschend war der Erfolg von Christiane Taubira bei den Vorwahlen der linken Parteien und Gruppierungen nicht. Immerhin war die frühere Justizministerin unter François Hollande die einzige der „großen“ Kandidaten, die angekündigt hatte, das Ergebnis dieser Vorwahlen respektieren zu wollen. Erstaunlich war eigentlich nur, dass sich rund 470.000 Franzosen an dieser Vorwahl beteiligten. Doch statt eine neue Einheit der französischen Linken für die anstehenden Wahlen zu erzeugen, legt diese Vorwahl nur die unüberbrückbaren Differenzen innerhalb der französischen Linken schonungslos offen.

Das Ergebnis dieser Vorwahlen sieht die Sozialistin Christiane Taubira deutlich vor dem Grünen Yannick Jadot und dem linksextremen Jean-Luc Mélenchon und ganz weit vor der zweiten sozialistischen Kandidatin Anne Hidalgo. Doch da Jadot, Mélenchon und Hidalgo bereits im Vorfeld angekündigt hatten, das Ergebnis dieser Vorwahlen nicht anzuerkennen, gibt es jetzt nicht etwa eine einzige Kandidatin der französischen Linken, die durchaus Chancen auf den Einzug in die Stichwahl gehabt hätte, sondern es gibt weiterhin eine ganze Reihe von Kandidatinnen und Kandidaten, die zwischen 0,5 % und 9 % der Stimmen in den Umfragen vor sich hindümpeln.

Gleichzeitig zerfetzen sich die rechten und rechtsnationalen Kandidaten von Macron über Pécresse bis zu Zemmour und Le Pen gegenseitig und streiten sich um die rund 70 % der Wählerschaft, die inzwischen in Frankreich solche rechten und rechtsextremen Ideen unterstützen. Was die völlig zersplitterte Linke nicht so richtig wahrzunehmen scheint. Denn sie wird nicht etwa die Gewinnerin dieser Vorwahl als DIE linke Kandidatin ins Rennen schicken, sondern es werden vier „linke“ Kandidaten und Kandidatinnen antreten, die sich nicht nur gegenseitig die Stimmen wegnehmen, sondern gleichzeitig dafür sorgen, dass die „linken“ Kandidaten eigentlich nicht wählbar sind. Die rechten und rechtsnationalen Kandidaten freuts, denn sie müssen nicht etwa einen inhaltlichen Wahlkampf führen, sondern können sich ganz auf ihr eigenen Grabenkämpfe konzentrieren.

Gäbe es tatsächlich eine linke Kandidatin in der Person von Christiane Taubira, dann hätte diese durchaus eine Chance, in die Stichwahl um das Präsidentenamt zu kommen. Dass es dazu nicht kommen wird, liegt an der ideologischen Arroganz derjenigen „linken“ Kaandidaten, die diese Vorwahl nicht akzeptieren, um ihre 2-5 %-Kandidatur aufrecht zu erhalten. Champion für diese jämmerliche Attitüde ist die selbsterklärte PS-Kandidatin Anne Hidalgo, Bürrgermeisterin von Paris, die in den Umfragen zwischen 2 und 3 % liegt. Aber wenn man weiß, dass 97 oder 98 % der Bevölkerung einen nicht wählen wollen, warum dann eine solche Solo-Kandidatur aufrecht erhalten? Wem, außer dem völlig überdrehten Selbstverständnis dieser Kandidaten und Kandidatinnen, soll das nützen?

Der deutlich spürbare Rechtsrutsch in Frankreich ist zu einem großen Teil von der französischen Linken zu verantworten, in erster Linie von der PS, die vor 5 Jahren noch den Präsidenten und die Mehrheit im Parlament, im Senat und selbst an der Spitze der Regionen stellte. Unter dem unglückseligen Parteichef Olivier Faure hat sich die Partei zu einem Pariser Intellektuellen-Debattierclub verwandelt, doch auf die Idee, den Totengräber dieser Partei in die Wüste zu schicken, kamen die Sozialisten auch nicht. Selbst die historische Parteizentrale in der Pariser Rue Solferino wurde unter Faure verkauft und die PS hat inzwischen ihre Identität verloren. Daran wird auch der Vorwahlen-Erfolg von Christiane Taubira nichts ändern.

Bereits vor Wochen haben wir geschrieben, dass es sinnvoller wäre, würde die PS die Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen zurückziehen und die Zeit nutzen, ein inhaltlich gutes Programm für die kurz darauf stattfindende Parlamentswahl zu erarbeiten, um sich über den Umweg einer starken Opposition im Parlament wieder auf das richtige Gleis zu bringen. Stattdessen stümpert die französische Linke weiter vor sich hin und das Ergebnis wird sein, dass kein linker Kandidat in die Stichwahl kommt und dass die linken Parteien bei der Parlamentswahl ein Waterloo erleben werden. Frankreichs Linke schafft sich gerade selber ab und macht damit den Weg für rechte und rechtsnationale Kandidaten und Parteien frei. Schwer verständlich, dass gestern Abend viele Sozialisten über das Ergebnis der Vorwahl jubelten. Tränen wären die angemessenere Reaktion gewesen.

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