Der Januar 2020 in der Europäischen Union

Die neue EU-Kommission und das neue Europäische Parlament stehen gleich zu Jahresbeginn unter riesigem Druck. Einfach wegschauen wird kaum gehen.

Auch das wartet im Januar 2020 auf die EU - Ärger, wo man hinschaut. Foto: Ilovetheeu / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wenn es richtig heftige Probleme gibt, wendet die Europäische Union gerne die Strategie an, die es einem Helmut Kohl ermöglicht hatte, 16 Jahre lang an der Spitze der Bundesrepublik zu bleiben – aussitzen. Doch „aussitzen“ wird in diesem Monat Januar 2020 nicht ausreichen, denn dazu sind die Probleme zu drängend. Wie also wird sich die EU verhalten?

Zwei prioritäre Themen stehen neben vielen anderen zum Jahresbeginn an und erfordern klare Positionen – der Krieg, den die USA gerade im Irak anheizt und der Brexit. In beiden Fällen wird es mit „abwarten und Tee trinken“ nicht getan sein, denn das Tempo in diesen Problemkreisen wird nicht von der EU, sondern von anderen vorgegeben.

Wo werden die Europäer in diesem neuen, alten Krieg stehen, der seit 40 Jahren zwischen den USA und dem Iran schwelt und der erneut auf irakischem Boden ausgetragen werden könnte? Für die NATO sollten die amerikanischen Kriegshandlungen kein Thema sein, denn es handelt sich auf keinen Fall um einen „Verteidigungsfall“ – und an Angriffskriegen muss sich kein NATO-Mitglied beteiligen. Natürlich werden die Briten den Amerikanern brav in jeden Krieg folgen, denn immerhin braucht Boris Johnson nach erfolgtem Brexit jede erdenkliche Hilfe und die kann eigentlich nur aus den USA kommen. Und Europa? Wird die EU mehr tun als wie üblich ihre „große Besorgnis“ zu äußern? Wird es Sanktionen gegen die USA und den Iran geben, wenn beide Länder ihre „Vergeltungsschläge“ austauschen?

Das zweite Thema, zu dem sich die EU wird verhalten müssen, ist der Brexit, der am Ende des Monats stattfindet. Nichts ist vorbereitet, es gibt keinerlei klare Linie in Großbritannien, und angesichts der britischen Unfähigkeit, den eigenen Ausstieg aus der EU zu organisieren, werden wohl alle Folgen eintreten, die von der britischen Regierung selbst schon vor Monaten im „Yellowhammer Report“ aufgezeigt wurden. Inklusive völligem Chaos, was den Rechtsstatus europäischer Bürgerinnen und Bürger in Großbritannien und britischer Bürgerinnen und Bürger in der EU angeht, völlig unklaren Handels- und Transportbedingungen und das alles ab Ende diesen Monats.

Die EU hat keinerlei Grund, Boris Johnsons verrücktes Projekt zu erleichtern, den Briten Geschenke zu machen und den Abschied unnötig zu versüßen. Das darf die EU auch gar nicht, will sie nicht Nachahmer des Brexits auf den Plan rufen – und in vielen europäischen Ländern drängen die dortigen Neonationalisten ebenfalls auf einen Ausstieg aus der EU. Wenn Brüssel und Straßburg jetzt den Briten den Ausstieg durch unnötige Geschenke erleichtern, wäre dies ein fatales Zeichen. Nun sollen die Briten eben schauen, wie sie klarkommen und die EU kann entspannt zuschauen, wie die Schotten ihr nächstes Referendum vorbereiten, die irische Frage wieder aufflackert und die sozial schwachen Schichten der britischen Bevölkerung den Irrsinn ihrer Regierung ausbaden. Immerhin haben die Briten am 12. Dezember den Mann im Amt bestätigt, der ihnen versprochen hat, sie ins Elend zu führen – das sollte man sie jetzt auch in Ruhe genießen lassen. Doch das erfordert, dass die EU nun geschlossen gegenüber den Briten auftritt und die Barnier’sche Linie konsequent durchzieht.

Da rückt der „Green Deal“ der EU-Kommission erst einmal wieder in den Hintergrund, aber das ist eigentlich nichts Neues und auch nicht weiter schlimm – die Pläne sehen ja ohnehin vor, dass sich Entscheidendes erst 2050 tun soll. Falls die Welt bis dahin noch nicht abgebrannt ist.

Es gibt viel zu tun für die europäischen Beamten und ganz nebenbei wäre es vielleicht auch keine schlechte Idee, ziemlich bald mit dem Entwurf eines neuen europäischen Projekts und einer grundlegenden Reform der sich selbst lähmenden europäischen Institutionen zu beginnen. Darauf warten die 500 Millionen Europäerinnen und Europäer nämlich bereits seit Jahren. Europa hat jede Menge Arbeit vor sich und die muss heute beginnen. Heute und nicht morgen.

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