Der Kapitalismus subventioniert sich selbst

Auf den ersten Blick klang die Nachricht irgendwie sympathisch. Die EU-Kommission erlaubt die Subventionierung der „Batterienallianz“, die in Europa die Modernisierung und Herstellung von Batteriezellen vorantreiben soll.

Speziell die deutsche Industrie hatte den Trend zu E-Autos verschlafen. Macht nichts, dann wird sie eben subventioniert. Foto: Andreas Praefcke / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – So, nun werden also 3,2 Milliarden Euro in sieben europäischen Ländern in die Industrie gepumpt, damit europäische Unternehmen ihren Rückstand im Wettbewerb mit Asien und den USA wettmachen können. Denn heute werden rund 80 % aller Batteriezellen für E-Fahrzeuge in Asien gefertigt und nur 3 % in Europa. Damit diese Schlüsselindustrie auch in Europa in Schwung kommt, dürfen nun die Unternehmen in diesem Bereich mit Milliarden gefördert werden. Und Wirtschaftsminister Peter Altmeier jubelte schon bei der Perspektive, dass die so geförderten Unternehmen dann Arbeitsplätze schaffen. Eigentlich alle klasse, oder? Aber das ist es eben leider nicht.

Deutschland darf nach Entscheidung der EU-Kommission 1,25 Milliarden Euro an die Unternehmen in diesem Bereich ausschütten. 17 Unternehmen in Deutschland sollen in den Genuss dieses Gelds kommen und man schätzt, dass bis zu 70 Subunternehmer indirekt von diesem Geldsegen profitieren werden. Bei diesen Unternehmen handelt es sich im Giganten wie BMW, Varta oder auch BASF. Auch Opel, PSA und andere Giganten gehören zu den Empfängern dieses Weihnachtsgelds. Moment mal, bedeutet das nicht, dass diese Großunternehmen deshalb Milliarden bekommen, weil sie die technische Entwicklung verschlafen haben? Doch, genau das heißt es. Und plötzlich erkennt man, dass sich der Kapitalismus selbst subventioniert und dabei sogar strategische Fehler der Konzernleitungen mit großzügigen Spenden belohnt.

Die Logik des Kapitalismus will eigentlich, dass die Unternehmen selbst für ihre Entscheidungen die Verantwortung tragen, da sie ja auch im Erfolgsfall die Gewinne ihrer Tätigkeit einstreichen. Wer am Markt vorbei produziert, der geht das Risiko ein, vom Markt zu verschwinden – wer erfolgreich ist, verdient viel Geld.

Die Entscheidung der EU-Kommission läutet aber eine ganz neue Ära des Kapitalismus ein. Wer falsche Marktentscheidungen trifft, wie beispielsweise BMW, die wie andere deutsche Automobilhersteller den Trend zu E-Fahrzeugen verschlafen und weiter stur auf Verbrennungsmotoren gesetzt hatten, bekommt nun hohe Prämien, um den durch diese Fehlentscheidungen getroffenen Rückstand aufzuholen. Und selbstverständlich, die mit diesem Geld (vermutlich) erwirtschafteten Gewinne werden die bedachten Unternehmen natürlich teilen – zwischen ihren Aktionären und nicht mit der Allgemeinheit, die für diese falschen Unternehmensentscheidungen zur Kasse gebeten wird.

In einer Situation, in der wir einen Abbau von Sozialleistungen erleben, die Anhebung der Lebensarbeitszeit, die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung, die Verrottung von Infrastrukturen, die Austrocknung des Kultur, die Zerstörung der Umwelt, was alles mit leeren Kassen begründet wird, ist offenbar noch genug Geld in den Kassen, um der Großindustrie einen solchen Schluck aus der Pulle zu spendieren.

Jahaaa, argumentierte Altmeier, aber zu den Subventionen von europaweit 3,2 Milliarden Euro werden ja die Unternehmen selbst rund 5 Milliarden investieren. Na und? Dass Unternehmen in ihren eigenen Geschäftserfolg investieren, ist nun eigentlich nichts umwerfend Neues, sondern das Wesen selbst des Kapitalismus. Man investiert Geld in der Hoffnung, dass ein erfolgreicher Geschäftsverlauf eine entsprechende Rendite abwirft. Das ist ja auch in Ordnung so. Nur hier wird öffentliches Geld mit genau dem gleichen Zweck investiert, nämlich dafür, dass die Unternehmen und ihre Aktionäre eine solche Rendite erzielen.

Dass die europäische Industrie aufgrund ihrer fehlenden Weitsicht nicht rechtzeitig in Zukunftsindustrien investiert hat, ist nicht das Problem der sozial Schwachen, sondern der Unternehmen. Wollen diese langfristig ihren Erfolg sichern und auch weiterhin ihren Aktionären fette Dividenden und ihren Chefs üppige Gehälter zahlen, dann sollen sie gefälligst ihr eigenes Geld investieren und nicht das Geld, das ansonsten an allen Ecken und Enden fehlt.

Es darf sich niemand wundern, dass immer mehr Menschen aufgrund sozialer Ungerechtigkeiten auf die Straße gehen. Die Brüsseler Entscheidung ist ein Anzeichen dafür, wohin sich die neuen europäischen Institutionen bewegen – nicht etwa in Richtung eines bürgernahen Europas, sondern sie machen als Erfüllungsgehilfen des großen Kapitals weiter wie bisher.

Allerdings muss man die Institutionen und auch Peter Altmeier für deren exzellente politische Kommunikation loben – sie schaffen es, uns die Geldgeschenke an die reichsten Unternehmen und deren Aktionäre als eine tolle Sache für uns alle zu verkaufen. Dabei kann es uns als Verbrauchern eigentlich egal sein, ob die Batterie im neuen E-Auto nun aus Singapur, Texas oder Sachsen stammt, so lange sie gut funktioniert, entsorgt werden kann und nicht allzu teuer ist.

Nun bricht also das Zeitalter an, in dem sich der Kapitalismus selbst subventioniert, während das Wohngeld (wie in Frankreich geschehen) um 5 € gekürzt wird. Die Kluft zwischen denen da oben und uns hier unten wird immer größer, während sich Wirtschaft und Politik immer weiter vermischen. Am Ende dieser Entwicklung ist es nicht mehr auszuschließen, dass dieses völlig pervertierte System gewaltsam zu Fall kommt – denn ewig wird man die Menschen nicht mehr zum Narren halten können.

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