Der Kolbenfresser im „europäischen Motor“

Der Ton verschärft sich zwischen Deutschland und Frankreich im Poker um die europäischen Spitzenposten. Am Ende ist sich eben doch jeder selbst am nächsten.

Zwischen den beiden geht gar nichts mehr - dem deutsch-französischen Motor Europas geht die Luft aus. Foto: Presidential Administration of Ukraine / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der Ton zwischen Paris und Berlin wird immer rauer. Der Chef der deutschen Christdemokraten im Europäischen Parlament Daniel Caspary hat schwere Vorwürfe gegen den französischen Präsidenten Emmanuel Macron erhoben, die alle weiteren Verhandlungen weiter blockieren dürften. Für den CDU-Politiker ist Emmanuel Macron ein „revisionistischer Herr, der alles tut, die europäische Demokratie zu zerstören“ und der dazu auch noch „anti-deutsch“ unterwegs ist. Das wird man in Paris sicher sehr gerne hören…

Stein des Anstoßes ist, natürlich, die Besetzung des Präsidentensessels der mächtigen Europäischen Kommission. Die CDU/CSU steht weiterhin hinter ihrem Kandidaten Manfred Weber, der aber mehrheitlich von den anderen EU-Mitgliedsstaaten abgelehnt wird. Was man auch verstehen muss, denn die anderen EU-Mitglieder sind nicht unbedingt darauf erpicht, der weiteren „Germanisierung“ der Europäischen Union zuzuschauen. Umgekehrt findet Macrons liberale Kandidatin für den Posten, die Dänin Magrete Vestanger, auch keine Mehrheit. Vom Sozialisten Frans Timmermans ganz zu schweigen. Der hat den Malus, als erster Vizepräsident der Kommission eine Legislaturperiode lang brav die Politik von Jean-Claude Juncker mitgetragen zu haben, also die Politik, mit der die EU an die Wand fährt.

Im Sinne eines Dialogs hat Caspary beiden Ländern einen Bärendienst erwiesen. Dabei wirft Caspary auch heftig mit Schlamm. Er vertritt die Ansicht, dass die Blockade des Deutschen Manfred Weber eine Retourkutsche dafür sei, dass Deutschland so lange nicht auf Macrons Europa-Vorschläge geantwortet hatte. Das ist nicht nur eine ziemlich kindische, sondern eine kontraproduktive Unterstellung.

Man kann über alle Punkte diskutieren, doch sollte dabei die Tonlage stimmen. Dass es Macrons Spezialität ist, Parteienlandschaften zu verwüsten, ohne einen Plan zu haben, was er an deren Stelle bauen will, sieht man in Frankreich und es ist verständlich, dass man sich in Europa Sorgen macht, dass Macron eine ebenso „feindliche Übernahme“ auf europäischer Ebene plant. Doch müssen diese unterschiedlichen Positionen im offenen Dialog besprochen werden und nicht durch solche Kommunikations-Attacken wie die eines Daniel Caspary, den selbst in Deutschland eigentlich niemand kennt. Kann sich nicht endlich mal Angela Merkel zu diesem Thema konstruktiv äußern?

Auffallend ist allerdings auch, dass nur einen Monat nach der Europawahl, vor der alle Parteien in Europa von „mehr Transparenz“, „Bürgerbeteiligung“ und anderen Versprechungen schwadroniert hatten, die Europäische Union wieder in ihren üblichen Trott hinter den verschlossenen Türen von Brüssel gefallen ist. Und jetzt schon merkt man, dass die Europäischen Institutionen nichts Weltbewegendes in der neuen Legislaturperiode auf die Beine stellen werden. Leider auch nicht auf deutsch-französischer Ebene. Es ist kaum noch zu übersehen: Der „europäische Motor“, die Achse Paris-Berlin, hat einen Kolbenfresser. Und weit und breit kein kompetenter Mechaniker in Sicht…

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