Der „Konvoi der Freiheit“ irrt durch Frankreich und Belgien

Eigentlich sollte der „Konvoi der Freiheit“ von Paris nach Brüssel weiterfahren, um dort gegen alles Mögliche zu demonstrieren. Nachdem Belgien scharfes Durchgreifen angesagt hat, ist ein Teil des Konvois nach Straßburg gefahren.

Bei der Abfahrt des Konvois ahnte niemand, wie schnell viele der Demonstranten wieder in Strasbourg aufschlagen würden... Foto: © Nicolas Rosès

(KL) – Sie hatten gehofft, dass zig Tausende Fahrzeuge aus ganz Europa nach Brüssel strömen, um dort ihren nicht ganz klar formulierten Forderungen Nachdruck zu verleihen. Aber der „Konvoi der Freiheit“ ist ein Flopp. Doch liegen die Dinge anders als noch 2018, als bis zu 70 % der Franzosen das Vorgehen der „Gelbwesten“ guthießen. Bei dieser „neuen“ Protestbewegung, die nichts anderes ist als das Wiederaufflackern der französischen Protestbewegungen der Jahre 2018/2019, erkennt man erneut die Handschrift der „Gelbwesten“, die wieder mit ihrer Unorganisiertheit und ihren unklaren Forderungen kokettieren. Das Einzige, was man deutlich aus dieser Kakophonie heraushört, ist dass die Demonstranten nur einen gemeinsamen Nenner haben – Macron muss weg. Doch der ist gerade im Wahlkampf und denkt nicht im Traum daran, den Demonstranten diesen Gefallen zu tun.

Angesichts der schwachen Beteiligung an diesem „Konvoi der Freiheit“, fällt es den Behörden leicht, alles zu unterbinden. Nicht nur, dass Brüssel und Belgien klar gemacht haben, dass dort nichts toleriert wird, inzwischen hat auch die Präfektin des Elsass ein Demonstrationsverbot in und um Straßburg verhängt, wo zumindest ein Teil dieses „Konvois“ hinfährt. Die anderen sind doch irgendwie nach Belgien gekommen. Der Grund für die Fahrplan-Änderung des „Konvois“ ist einfach: Da nicht alle bis Brüssel kommen, will man in Straßburg Europaabgeordnete treffen, die diese Woche in Straßburg tagen.

Im Straßburger Parlament sitzen auch die französischen Rechtsextremen, die diesen „Konvoi“ natürlich unterstützen. Was für eine wunderbare Gelegenheit, das „Frankreich von unten“ gegen „die da oben“ aufzuhetzen! Doch das politische Kalkül der rechtsextremen Politiker wird nicht aufgehen, denn die Demonstranten gehören überwiegend zu der Bevölkerung, die schon lange nicht mehr wählen geht. Die jedes Vertrauen in die Politik und die handelnden Akteure verloren hat. Was auch verständlich ist.

Doch scheint das große Volk der europäischen Revolutionen vergessen zu haben, wie Revolution geht. Wer etwas verändern will, der muss auch sagen, worum es geht, doch seit 2018 herrscht in Frankreich eine enorme Kakophonie, jeder kräht seinen Text in die bereitwillig vorgehaltenen Mikrophone und es geht mehr darum, Präsenz in den ansonsten verhassten Medien zu ergattern, als „echte“ Forderungen an die Politik zu formulieren. Dass in zwei Monaten in Frankreich gewählt wird, scheint auch niemanden zu interessieren. Dabei wäre das die Gelegenheit, Präsident Macron in den Ruhestand zu schicken. Aber wählen ist weniger sexy als kreuz und quer durchs Land zu fahren, sich als „Revolutionäre der Landstraße“ selbst zu feiern und die Dinge ansonsten so zu belassen, wie sie sind.

Es ist allerdings seitens der Organisatoren dieses Konvois illusorisch zu glauben, dass man ein ganzes Land zur Solidarität mit einer so kleinen Bewegung motivieren kann, die weder ihren Namen, noch ihre Forderungen sagt. Mit dem seit 2018 praktizierten „bei uns hat jeder seinen Platz“ akzeptieren die Organisatoren, dass die Natur dieser Bewegung im Unklaren bleibt. Was will diese Bewegung? Den Impfpass abschaffen? Nachvollziehbar, das tun andere Länder auch. Und auch in Frankreich ist die Abschaffung dieses sinnlosen Dokuments in Vorbereitung. Die Impfungen freiwillig machen? Das erfordert eine gesellschaftliche Debatte, die in Frankreich tatsächlich nicht stattgefunden hat, da es Macron mit seiner Truppe erfolgversprechender fand, die französische Gesellschaft zu spalten, damit ihn möglichst viele der „guten Franzosen“, also der geimpften Franzosen, wählen.

Worum geht es noch? Die Kaufkraft? Ein echtes Problem in Frankreich, die Menschen haben immer weniger Geld, dafür aber Sorgen um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Andere demonstrieren zu ganz anderen Themen und viele Politiker versuchen, sich diesen „Konvoi“ zunutze zu machen, immerhin ist Frankreich im Wahlkampf. Extremisten aller Couleur zeigen sich solidarisch mit den Demonstranten, in der Hoffnung, dieses bislang nicht ausgeschöpfte Wählerpotential für sich mobilisieren zu können.

Doch nach dreieinhalb Jahren „Gelbwesten“ und mehr als zwei Jahren der Pandemie, haben die Franzosen heute mehrheitlich andere Sorgen als diesen Konvoi. Dementsprechend knapp fiel auch die Beteiligung am letzten Wochenende in Paris aus. Auf einen Demonstranten kam jeweils ein Polizist und es wurde schnell klar, dass es sich keinesfalls um eine „Massenbewegung“ handelt. Dass etliche der Forderungen in diesem Konvoi durchaus richtig und nachvollziehbar sind, ändert nichts daran, dass sich diese „Merguez-und-Dosenbier-Bewegung“ selbst disqualifiziert. Das dauernde Gejammer, dass wir in einer „Diktatur“ leben, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in einer Demokratie leben, in der es jedem freisteht, politische Alternativen anzubieten. Doch das kostet Zeit, Engagement und Durchhaltevermögen und passt nicht so richtig in das Weltbild dieser Demonstranten, deren wirre Selbstdarstellung vor allem eines auslöst: Nicht etwa die Solidarität der Bevölkerung, sondern vor allem die Erkenntnis, dass man diesen Leuten besser nicht die Schlüssel des Landes in die Hand drückt. Es gab Jahrhunderte, in denen Frankreichs Demonstranten geschickter und schlauer unterwegs waren und dabei sehr konkrete Ergebnisse erzielt haben…

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