Der Krieg kommt immer näher…

… und wir nähern uns immer weiter dem Krieg. Als ob wir Europäer kollektiv vergessen hätten, was Krieg wirklich bedeutet.

Stumpfen wir nach "nur" 20 Tagen Krieg bereits wieder gegen diese Bilder ab? Foto: Security Service Ukraine / Wikimedia Commons / CC-BY-Sa 4.0int

(KL) – 20 Tage Krieg in der Ukraine und die Welt ist nicht mehr diejenige, die sie vor 20 Tagen war. Der Krieg ist in die Wohnzimmer eingezogen, flimmert mit seinen schlimmen Bildern täglich durch das Wohnzimmer und ist in dieser kurzen Zeit bereits fester Bestandteil unseres Lebens geworden. Zwar betont der Westen immer wieder, dass er nicht beabsichtigt, Truppen in das Kriegsgebiet zu entsenden, doch nähern sich auch die westlichen und NATO-Einheiten immer mehr diesem Krieg. Die deutsche Luftwaffe patrouilliert inzwischen über dem rumänischen Luftraum, der französische Flugzeugträger „Charles De Gaulle“ befindet sich ebenfalls bereits in der Zone und Polen fordert eine „bewaffnete Friedensmission“ zur Abschreckung Putins. Und irgendwann wird es nicht mehr möglich sein, sich aus den Kämpfen herauszuhalten und aus dem Ukraine-Krieg wird der III. Weltkrieg werden.

Das Szenario ist nicht unbekannt. Es ist das gleiche vor jedem groβen Krieg. Aus ersten militärischen Aktionen entwickelt sich das Spiel der Diplomatie, das wir seit mehreren Wochen erleben. Es beginnt mit gegenseitigen Drohungen und endet in einem zivilen Blutbad. So war es immer in Kriegssituationen, so wird es immer in Kriegssituationen bleiben

Es scheint, als könnten es viele gar nicht abwarten, dass endlich wieder Krieg ist. 14.000 Personen sind in die Ukraine gereist, um dort an der Seite der Ukrainer zu kämpfen. Doch was sind das für Menschen, die dort kämpfen und sterben? Kann man sie mit den internationalen Brigaden vergleichen, die im spanischen Bürgerkrieg an der Seite der Republikaner gegen Franco kämpften? Abgesehen davon, dass Vergleiche immer hinken, ist auch dieser kaum zulässig. Denn die Situation in der Ukraine ist nicht einfach zu erfassen.

Seit 2014 und der Annektierung der Krim durch Russland hat es mehrere Regierungswechsel in der Ukraine gegeben. So wurde der pro-russische Präsident Wiktor Janukowytsch 2014 abgesetzt, auf ihn folgte kommissarisch der im Westen weitgehend unbekannte damalige Parlamentspräsident Oleksandr Turtschynow, bis zur Wahl des ukrainischen Oligarchen und pro-Europäers Petro Poroschenko, der dann 2019 von Wolodymyr Selenskyi abgelöst wurde. 4 Präsidenten, die für 4 verschiedene politische Ausrichtungen stehen und die natürlich während ihren Amtszeiten auch ganz unterschiedliche Politik betrieben haben.

Die politische Ausrichtung der Ukraine, die lange Jahre von hoch korrupten Politikern geführt wurde (Ex-Präsident Wiktor Janukowytsch wurde 2019 in Abwesenheit deshalb zu 13 Jahren Haft verurteilt) und man kann seit 2014 nicht von einer „ukrainischen Politik“ sprechen. Interessant ist, dass Wiktor Janukowytsch heute als möglicher Nachfolger von Selenskyi von Putins Gnaden gehandelt wird – da die Rote Armee unmöglich die ganze Ukraine besetzen und halten kann, wird es wohl darauf hinauslaufen, dass im Falle eines militärischen Erfolgt Janukowytsch von Putin wieder eingesetzt werden könnte.

Während der Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar ohne jede Frage Putin und dessen Träumen eines neuen Russlands zuzuschreiben ist, haben sich auch die ukrainischen Nationalisten in den letzten Jahren vieler Verbrechen schuldig gemacht, die von den jeweiligen Regierungen durchaus gebilligt worden waren. Dies ist natürlich keineswegs eine „Rechtfertigung“ für Putins brutalen Angriffskrieg, macht es allerdings schwer, die Lage in der Ukraine nur durch eine Schwarz-Weiß-Brille zu betrachten, denn dazu ist die ukrainische Politik zu vielschichtig.

Lösungen für diese komplizierte Situation gibt es eigentlich keine. Wie sinnvoll es sein wird, die Wirtschaft in Ost-, Zentral- und Westeuropa auf Jahre hinaus zu ruinieren, Armut in allen betroffenen Ländern zu schaffen und die Konten der Rüstungsindustrie zu füllen, ist fraglich.

Die Welt muss sehr aufpassen, will sie nicht sehenden Auges in den nächsten Weltkrieg stolpern, von dem man annehmen muss, dass er keine konventionelle Auseinandersetzung mit Panzern und Soldaten bleiben wird. Die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki waren im Vergleich zu den heutigen Waffensystemen nicht mehr als eine Vorahnung dessen, was Menschen anderen Menschen mit High-Tech-Waffen antun können. Wir sollten vielleicht weniger begeistert nach „Krieg!“ brüllen, sondern gemeinsam mit den europäischen Partnern, mit den USA und auch mit der Ukraine überlegen, wie diese Situation überhaupt noch zu befrieden ist. Andernfalls droht uns eines Tages dasselbe entsetzte Kater-Aufwachen wie 1918 und 1945, als die Welt die Bilanz der Kriegsschäden und –Opfer aufstellen musste. Nur sollte dieses Mal niemand erstaunt fragen, wie es denn dazu kommen konnte – wir wiederholen gerade die Geschichte, die Mechanismen sind klar und wir sind gerade auf dem Weg, zum dritten Mal zu beweisen, dass die menschliche Rasse für diesen Planeten langfristig nicht geeignet ist. Es sei denn, wir schaffen es, doch noch die Kurve in Richtung Frieden zu bekommen. Und alle Augen wenden sich in Richtung Kreml…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste