Der letzte Zeuge

Robert Hébras, der nun im Alter von 97 Jahre gestorben ist, war der letzte Überlebende des entsetzlichen Massakers, das die SS am 10. Juni 1944 im Ort Oradour-sur-Glane verübt hatte.

Das war das Leben von Robert Hébras (r.) - Besuchern das Massaker von Oradour-sur-Glane schildern. Foto: David AMBERG / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der Tod von Robert Hébras, dem letzten Überlebenden des Massakers, das die SS-Division „Das Reich“ am 10. Juni 1944 in Oradour-sur-Glane im Departement Haute-Vienne verübte und bei dem 643 Menschen bestialisch ermordet wurden, überträgt die Pflicht zur Erinnerung an dieses Kriegsverbrechen auf die nächste Generation, auf uns alle. Denn Robert Hébras, einer von nur sechs Überlebenden dieses Verbrechens gegen die Menschlichkeit, hatte seit dem Krieg das Dorf, das heute noch in dem Zustand ist, in dem es die SS-Mörder verlassen hatten, als eine Freiluft-Mahnung gegen den Krieg und gegen das Vergessen gepflegt und hatte als Hüter dieser Erinnerung zahlreiche Staatschefs durch Oradour-sur-Glane geführt und dafür gesorgt, dass diese Gräueltat nicht in Vergessenheit gerät.

Gerade zu einem Augenblick, an dem die Welt zum dritten Mal in einem Jahrhundert in einen Weltkrieg stolpert, muss die Erinnerung von Robert Hébras gegen den Krieg und dessen Verbrechen fortgeführt werden. Denn Oradour-sur-Glane steht stellvertretend für den Horror, den Faschismus und Krieg mit sich führen, Oradour-sur-Glane steht für alle Gräueltaten, die Menschen einander antun können, wenn sie blind ihren jeweiligen Führern in den Krieg hinterherlaufen. Oradour-sur-Glane, in der grauenhaften Brutalität, mit der Frauen, Kinder, Männer zu Tode gemetzelt wurden, ist ein Schrei für den Frieden.

Foto: René Hourdy / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

Foto: René Hourdy / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

 Homo hominem lupus est – wenn bestimmte zivilisatorische Grenzen überschritten werden und genau das zeigt das Oradour-sur-Glane, das Robert Hébras Jahrzehnte lang als Zeugnis der Zeit gepflegt hat.

Man kann nicht verschweigen, dass das Verhältnis zwischen Robert Hébras und dem Elsass gelinde gesagt, sehr angespannt war. 1994 schrieb er in einem Buch, dass es „unter den Schergen auch einige Elsässer gab, die angeblich zwangsweise in die SS-Einheiten eingezogen worden waren.“ Für diese Aussage wurde Robert Hébras 2012 zu einem symbolischen Euro Strafe verurteilt wurde, wobei dieses Urteil später revidiert wurde. Die Aussage von Robert Hébras war deswegen schwierig, da es in den SS-Einheiten sowohl zwangsrekrutierte Elsässer gab, deren Status als Kriegsopfer erst 2012 vom damaligen Präsidenten Nicolas Sarkoyz öffentlich anerkannt wurde, als auch Elsässer, die sich mit den Nazis, der SS und dem Krieg identifizierten. Das Thema ist heute noch im Elsass hochsensibel, denn die Zwangsrekrutierung, die damals von Gauleiter Wagner unter Androhung von Repressalien gegen die Familien dekretiert wurde, war ein weiteres Kriegsverbrechen der Nazis, das Zehntausende Elsässer in deutscher Uniform das Leben kostete, insbesondere an der russischen Front, wo die zwangsrekrutierten Elsässer an vorderster Front in den Tod geschickt wurden. Der Generalverdacht, unter den Robert Hébras die Zwangsrekrutierten stellte, war zweifelsohne falsch, aber gleichzeitig für diejenigen Elsässer zutreffend, die aus irregeleiteter Überzeugung die deutsche Uniform trugen.

Die Gedächtnisarbeit, die Robert Hébras geleistet hat, verdient Respekt und Anerkennung, fernab von der traumatischen Belastung, die das erlebte Massaker von Oradour-sur-Glane, aber auch der nicht gelungene Versuch der Aufarbeitung im Rahmen des Prozesses von Bordeaux (bei dem Robert Hébras das Erlebte als Zeuge noch einmal durchleben musste) bei Robert Hébras ausgelöst haben mögen. Sein Leben lang hat der Mann gegen das Vergessen gekämpft, für den Frieden, für das „Nie wieder Krieg!“, das heute schon wieder niemand mehr hören möchte.

Möge Robert Hébras in Frieden ruhen und möge seine Botschaft unsterblich sein – Es darf keinen Krieg geben, denn Krieg ist Mord, Folter, Vergewaltigung, Zerstörung, Tod.

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