Der „Literarische Adventskalender“ (14)

Autor Stefan Böhm und Eurojournalist(e) präsentieren: „Straßburger Glaubensbekenntnis - Kommissar Sturnis dritter Fall“. Heute: Kapitel 14 – „Île Coléo“

Was diese Figur wohl in all den Jahrhunderten gesehen hat... Foto: Stefan Böhm / CC-BY-SA 4.0int

Kapitel 14 – Île Coléo

   „Putain, ce n’est pas vrai!“

Um exakt 5.30 Uhr riss ihn das Klingeln seines Diensthandys aus dem Schlaf. Fast wäre er aus dem Bett gefallen. Er musste unbedingt den Klingelton ändern. Die Liebesschnulze von Serge Gainsbourg passte einfach nicht mehr zu seiner aktuellen Lebenssituation …

Hatte Bouget ihm nicht schon das Wochenende versaut? Musste es am Montagmorgen gleich zu nachtschlafender Zeit losgehen?

Ein Blick auf das Display zeigte ihm, dass es nicht sein Vorgesetzter war, sondern Inspektor Isinger. Der Arme war doch gestern auch schon im Einsatz. Was wollte er denn, um diese Uhrzeit?

„Bernard, was gibts? Ist unsere Jesusfigur wiederauferstanden? Oder willst du mir von der Spontanheilung deines Hundes erzählen, weil du das Hündchen an der Kanzel im Münster gestreichelt hast?“

Sturni musste sich zusammenreißen, um nicht zynisch zu wirken. Isinger war sein bester Mann und tat nur seine Pflicht. Nun ja, so schwierig war das nicht. Neben Margaux, nicht nur künftige Gattin, sondern auch seine Sekretärin im Polizeipräsidium, stand ihm nur noch François Straumann als zweiter Inspektor zur Verfügung. Da war es wahrlich keine Kunst, die Nummer eins unter den Inspektoren zu sein.

„Wir haben einen Mordfall! Stich ins Herz, mit einem spitzen Gegenstand! Ich stehe direkt neben der Leiche! Ich habe bis Montagmorgen Bereitschaftsdienst. Ein Clochard hat das Opfer entdeckt und die Notrufnummer der Polizei gewählt. Da war ich eben am Zug.“

Sturni war mit einem Mal hellwach, sprang aus dem Bett und zog sich mit einer Hand – die andere immer noch am Handy – seine Jeans an, die er immer neben seinem Bett fallen ließ, bevor er schlafen ging.

„Ich bin gleich bei dir. Tatort?“

„Auf der Île Coléo.“

„Île Coléo? Wo zum Teufel soll das sein? Nie gehört! Ist das noch in unserem Zuständigkeitsbereich?“

„Das ist eine kleine Insel auf der Ill, an der Rue des Imprimeurs, ziemlich abgelegen. Von der Petite France etwas mehr als einen Kilometer die Ill aufwärts.“

Da hatte er schon wieder etwas dazugelernt, montagmorgens … um 5.30 Uhr.

„Ich bin gleich bei dir!“

Sturni legte auf und hetzte die steilen Treppenstufen des alten Fachwerkhauses hinab. Sein Schlaf-T-Shirt hatte er angelassen und sich nur noch schnell eine alte, abgewetzte Lederjacke übergezogen. Margaux hatte von dem Trubel nichts mitbekommen. Sie schlief noch tief und fest.

Er riss die Tür seines alten Renault Scénic auf und ließ den betagten Diesel an. Der Motor stotterte beim Anlassen ein wenig. Lange würde es das treue Gefährt nicht mehr machen. Er musste ihn ohnehin verschrotten. Seit einiger Zeit hatte man in Straßburg eine Umweltplakette eingeführt und sein alter Kasten erfüllte schon längst nicht mehr die erforderlichen Kriterien. Schon mehrfach war er einem saftigen Bußgeld der Kollegen von der police municipale nur entgangen, weil er mit seinem Dienstausweis gewedelt und einen auf Noteinsatz gemacht hatte. Die Masche würde nicht mehr lange gutgehen. Ein mehr als zwölf Jahre altes Dieselfahrzeug hatte keine Chance auf eine rechtmäßige Nutzung innerhalb der Stadtgrenze, Kriminalhauptkommissar im Einsatz hin oder her.

Knapp eine Viertelstunde später fand er sich an dem von Isinger angegebenen Ort ein. Er war wirklich gottverlassen, einige Schrebergärten mit kleinen Häuschen fanden sich an besagter Straße, sonst gab es hier nicht viel. Keine der besseren Ecken Straßburgs, im Gegenteil.

An einer Handvoll Streifenwagen erkannte er, dass er am Tatort angekommen sein musste. Isinger war gleich mit der ganzen Kavallerie angerückt. Recht hatte er. Schließlich handelte es sich – laut Isingers Aussage – um einen Mord und kein schnödes Eigentumsdelikt an einem sakralen Kunstgegenstand oder einem Buch …

Trotzdem musste er noch ein wenig suchen, bis er den beschriebenen Zugang gefunden hatte. Es war immer noch stockdunkel. Als er ihn endlich entdeckt hatte, nahm er von Ferne einen grellen Lichtschein wahr. Isinger und die Kollegen waren vor Ort und hatten den Tatort mit Scheinwerferlicht erhellt.

Über eine schmale Holzbrücke bekam er Zutritt auf die von Isinger beschriebene Île Coléo, von der er noch nie zuvor etwas gehört hatte, obwohl er schon seit mehr als zwanzig Jahren in Straßburg lebte. Der Begriff „Insel“ war auch etwas übertrieben. Lediglich ein schmales Rinnsal, über das er zur Not auch ohne Holzbrücke hätte springen können, trennte die Insel vom Festland. Bei Niedrigwasser der Ill trocknete dieser schmale Seitenarm bestimmt ganz aus.

Hastig überquerte er die Holzbrücke. Auf der Insel herrschte großes Gedränge. Isinger war mit einigen Uniformierten am Tatort. Zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden hatte er einen Tatort mit Plastikband absperren lassen. Diesmal lag in dessen Zentrum aber ein toter Frauenkörper aus Fleisch und nicht mehr zirkulierendem Blut, kein zerborstener Heiland aus Stein. Im Gegensatz zum überfüllten Münster mit seinen neugierigen Schaulustigen hätte er sich die Mühe hier sparen können. Kein Mensch würde sich freiwillig um diese Uhrzeit an diesem abgelegenen Ort einfinden, sollte man meinen …

Neben Isinger stand ein Mann mit ergrauten langen Haaren, Bart und abgewetzten Klamotten. Das musste der Clochard sein, von dem Isinger erzählt hatte, und der vor weniger als einer Stunde den Notruf der Polizei gewählt hatte. Selbst die Vagabunden verfügten heutzutage über ein portable, auch wenn sie auf einer Parkbank nächtigen mussten …

Offensichtlich hatte er auf der Insel geschlafen und die Leiche entdeckt, als er aufwachte. Vielleicht hatte er sogar etwas vom Mord mitbekommen.

Auf einer so abgelegenen Insel hätte er eigentlich nichts als Wildwuchs erwartet. Es überraschte ihn daher, dass er eine mit Pflastersteinen angelegte Fläche vor sich fand, auf der es eine steinerne Bank und eine Gedenktafel gab. Rechter Hand befand sich noch ein etwa mannshoher Gedenkstein, in den das Porträt eines Mannes mit einem langen Bart eingemeißelt war. Der Scheinwerfer in der sonst noch pechschwarzen Nacht beschien den Tatort in einem grellen, kalten Licht.

Direkt vor dem Gedenkstein lag die von Isinger angekündigte Frauenleiche, auf dem Rücken. Zwischen ihren Brüsten, die von einer transparenten weißen Bluse bedeckt waren, ragte ein Schaft heraus. Das Blut um die Einstichstelle war von der Bluse aufgesogen worden, bildete einen roten Fleck auf ihrem Brustkorb. Wenn die Frau kein Harakiri begangen hatte, wurde sie klassisch erdolcht, wie in einem mittelalterlichen Ritterfilm. So etwas hatte er in seiner Laufbahn noch nie erlebt.

Sturni erstarrte, als er endlich das Gesicht der Frau bewusst wahrnahm, das doch schon die ganze Zeit vom grellen Scheinwerferlicht angestrahlt wurde. Es war Oriane, Oriane Jacquesson! Ihr Antlitz war kreidebleich, das Blut war inzwischen aus ihren Adern entwichen. Ihre aufgespritzten Lippen und ihr knallroter Lippenstift – vom Scheinwerferlicht hell erleuchtet – bildeten einen scharfen Kontrast zu ihrer totenbleichen Gesichtsfarbe. Der Anblick erinnerte ihn an ein bildschönes Schneewittchen, nachdem es vom vergifteten Apfel gekostet hatte.

Er war fassungslos. Minutenlang starrte er stumm auf ihren toten Körper, konnte einfach nicht glauben, dass sie ermordet worden war. Um ein Haar hätte er gestern noch mit ihr geschlafen, und nun lag sie tot vor ihm, erdolcht.

„Ist alles in Ordnung, Chef?“

Sanft fasste ihn Isinger am Arm und holte ihn aus seiner Schockstarre. Sturni schreckte auf, kam wieder zu sich. Er war im Dienst, hatte einen Mordfall aufzuklären, musste seine Gefühle beiseiteschieben, funktionieren. Er unterdrückte den stechenden Kopfschmerz, der ihn plötzlich überkam, und nahm dank jahrzehntelanger Routine mechanisch seine Arbeit auf.

„Ist Josmeyer schon benachrichtigt? Nun kann er an seinem ersten richtigen Fall mitarbeiten, nachdem er sich gestern an der Jesusfigur warmgelaufen hat. Und was ist mit Straumann?“

Es war ja nicht so, dass sein zweiter Inspektor am Tatort eine große Hilfe sein könnte, doch galt es bei einem Mord alle verfügbaren Kräfte zu versammeln.

„Josmeyer müsste gleich hier sein. Straumann habe ich eine Nachricht auf seinem Diensthandy hinterlassen. Ich hoffe, er hört sie ab und kommt.“

„Hat schon jemand den Zeugen befragt? Ist er überhaupt vernehmungsfähig? Wie heißt er denn?“

Sturni war gleich aufgefallen, dass der Mann stark nach Alkohol roch, als er an ihm vorbeiging.

„Sein Name ist Dieu, Hugues Dieu.“

„Dieu?“

Der Fall fing ja gut an, mit Gott als Zeugen.

„Er hat auf einer Bank auf der anderen Seite der Insel übernachtet. Dieu hat ausgesagt, dass er von einem großen Lärm geweckt wurde. Es gab wohl einen Kampf, bevor das Opfer erdolcht wurde. Er hat nur noch gesehen, wie die Frau zusammengesackt ist.“

„Auf die Idee, ihr zu Hilfe zu eilen, kam er wohl nicht?“

„Der Mann ist sternhagelvoll.“

„Hat er den Täter gesehen?“

„Nur schemenhaft. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit seine Aussage verwertbar ist. Er ist wirklich stark alkoholisiert. Könnte sein, dass er zur Tatzeit schuldunfähig war, dann wäre seine Aussage vor Gericht nichts wert. Wir werden seinen Promillegehalt überprüfen.“

„Nach dem Alkoholtest wissen wir mehr. Sonst noch etwas?“

„Er hat angegeben, dass eine in eine Kutte gehüllte Gestalt beim Opfer gestanden habe, nachdem es in sich zusammengesackt sei. Danach habe diese Person die Frau abgetastet und ihr etwas entwendet, wahrscheinlich ihr Portemonnaie oder ihr Handy, vielleicht beides.“

Sturni brauchte keinen Personalausweis, um das Opfer zu identifizieren. Er hatte zwei Wochen mit ihr unter einem Dach gelebt, gestern ihre vollen Lippen auf seinem Mund und ihre nun blutbeschmierten Brüste an seinem Körper gespürt.

„Danach habe die verhüllte Gestalt sich vom Opfer abgewandt und sich die Steinstufen zur Ill hinabbegeben, die du links von dir sehen kannst.“

Sturni blickte sich um. In der Tat, dort führten einige Treppenstufen in den Fluss hinein, es gab offensichtlich eine Bootsanlegestelle.

„Dort habe sie ein Ruderboot bestiegen und sei damit davongerudert. Als sie außer Sichtweite war, habe er sein Handy gezückt und den Notruf der Polizei angerufen.“

Sturni hielt die Geschichte für ziemlich abgedreht. Wahrscheinlich hatte Dieu sich irgendetwas zurechtdeliriert.

„Wir vernehmen ihn noch einmal, wenn er ausgenüchtert ist. Ich glaube die Geschichte erst, wenn er sie noch mal in nüchternem Zustand genauso wiederholt. Wahrscheinlich selbst dann nicht. Ihr nehmt ihn jetzt erst mal mit zur Wache und dort soll er sich in Ruhe ausschlafen. Danach befragt ihr ihn erneut.“

Vielleicht war Dieu ja selbst der Täter. Er schien die einzige Person am Tatort gewesen zu sein. Dann hätte er aber wohl kaum die Polizei gerufen, sondern das Weite gesucht. Die Spurensicherung würde ihn sonst locker als Täter überführen können.

***

   „Adieu!“

Sturni hatte gar nicht gemerkt, dass sich nun auch Inspektor Straumann am Tatort eingefunden hatte, mit einer Alkoholfahne. Fast hätte er ihn mit Clochard Dieu verwechselt, in seinem Zustand. Straumann war doch hoffentlich nicht wieder alkoholisiert mit einem Dienstwagen gefahren. Lange würde er ihn so nicht mehr vor einem Disziplinarverfahren bewahren können.

„Wie jetzt, Straumann, à Dieu? Nein, nein, lass deinen Gewürztraminer mal schön stecken. Wir stoßen jetzt nicht auf unseren Zeugen an. Der ist doch schon sternhagelvoll. Wie bist du überhaupt hierhergekommen? Ich hoffe, du hast dich von einem der Uniformierten fahren lassen? Du scheinst mir ja nicht ganz nüchtern zu sein.“

„Mais non, ich meinte adieu, auf Wiedersehen! Ich gehe jetzt wieder! Ich verstehe nämlich nicht, warum ihr mich in tiefster Nacht hierherbeordert, wenn schon die gesamte Kavallerie am Tatort versammelt ist. Musste das sein? Wir sehen uns dann heute Vormittag im Polizeipräsidium!“

Machte hier neuerdings jeder, was er wollte? Sein erster Inspektor schenkte sich die Begrüßung und verabschiedete sich gleich wieder … bei einem Mordfall?! So konnte das nicht weitergehen. Sturni schwitzte leicht, war unkonzentriert. War er etwa krank, überarbeitet? Wieder überkamen ihn stechende Kopfschmerzen. Er musste sich am langen Bart der Steinbüste festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

„À-dieu-va – ganz gleich was geschieht, du setzt dich nicht selbst ans Steuer, lässt dich nach Hause fahren und findest dich bis spätestens heute Mittag im Polizeipräsidium ein! Dann müssen wir einmal ein ernstes Wörtchen miteinander reden, Personalgespräch und so weiter. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.“

Sturni versuchte die Kontrolle zurückzugewinnen, über sich und das Geschehen am Tatort. Die ganze Situation brachte ihn aus der Fassung. Wie sollte er mit diesem Personal komplexe Mordfälle aufklären, wenn er gleichzeitig noch das Kindermädchen für seine Mitarbeiter spielen musste …

***

Zum Glück war nun auch Josmeyer von der Spurensicherung eingetroffen. Hoffentlich hatte er Straumann in seinem Wagen mitgebracht. Es beruhigte Sturni, den jungen Kollegen vor Ort zu haben. Mal ganz abgesehen davon, dass es sich bei der Toten um eine Bekannte von ihm handelte, hatte er ein ungutes Gefühl. Irgendetwas an diesem Fall war eigenartig, anders als alle Fälle, die er zuvor gelöst hatte.

Er konnte es sich nicht rational erklären. Sein Instinkt hatte ihm in den letzten Jahren aber schon viele gute Dienste erwiesen, und so sagte ihm sein Bauchgefühl, dass hier kein schnöder Raubmord begangen worden war, auch wenn der Täter Orianes Habseligkeiten entwendet haben sollte.

Allein der Tatort. Was machte Oriane mitten in der Nacht an diesem Ort, an dem sich, abgesehen von Hugues Dieu, kein zivilisierter Mensch freiwillig aufhalten würde? Wie war sie überhaupt auf diese gottverlassene Insel gekommen? Außer den Polizeifahrzeugen hatte er kein weiteres Fahrzeug an der Rue des Imprimeurs gesehen. Wie war der Täter hierhergekommen und wieder geflüchtet? Vielleicht tatsächlich – wie von Dieu angegeben – mit einem Ruderboot?

Inzwischen ging die Sonne auf und der Tatort wirkte nicht mehr ganz so surreal. Fürs Erste konnte er hier nichts mehr tun. Er prägte sich die Insel, den Tatort, noch einmal ganz genau ein, den hölzernen Steg, über den man auf die Insel gelangte, die Fläche mit Pflastersteinen, Steinbänkchen und Gedenktafel, die große Stele mit dem eingemeißelten Bildnis des alten Mannes, dessen Bart ihn vorm migränebedingten Umkippen bewahrt hatte, die Zugangsmöglichkeit vom Fluss mit dem Boot über die Anlegestelle und etwas weiter hinten noch eine Bank, auf der Dieu übernachtet haben musste. Sein Hab und Gut, in einigen Plastiksäcken verstaut, und ein verrostetes Fahrrad lagen noch dort.

Er wandte sich schon ab, um sich wieder nach Hause zu begeben, als ihm noch etwas auffiel. Schnell warf er einen Blick auf die Inschrift, die in den Steinblock eingraviert war:

«C’est ici à la Montagne-Verte
que l’imprimerie fût inventée par
Jean Gutenberg
et c’est de ce pôle que par elle
la lumière rayonne dans le monde.
L’île Coléo a été léguée
à la Ville de Strasbourg par
Ferdinand Reiber
Naturaliste et bibliophile
1840-1892
Le présent monument a été érigé
en exécution de ses dernières volontés.»

An dieser Stelle sollte der Buchdruck erfunden worden sein? Von Johannes Gutenberg? Er war also der alte Mann mit dem langen Bart, der auf der Stele abgebildet war. Die ganze Angelegenheit wurde ja immer eigenartiger …

***

Sturni musste sich beeilen. Er war dran, Christian in die Schule zu bringen. Sein Sohn aus erster Ehe hatte heute einen großen Auftritt. Er musste sein erstes Referat halten. Heutzutage fing man damit ja schon in der Grundschule an.

Christian wollte über die höchsten Wolkenkratzer der Welt referieren, das Thema fesselte ihn. Sturni war es recht. Schließlich hatte er mit Christian, seiner Mutter und Margaux schon einmal um ein Haar den Eiffelturm erklommen, der ja auch für etwa vierzig Jahre das höchste Bauwerk der Welt gewesen war. Außerdem war das Gebäude vor seiner Haustür, das Straßburger Münster, sogar für mehr als vier Jahrhunderte das höchste Gebäude der Welt gewesen. Mit der Thematik kannte er sich also aus und konnte seinem Sohn mit ein wenig Historie weiterhelfen. Er wollte unbedingt rechtzeitig zu Hause sein, um ihn in der Schule abzuliefern und ihm alles Gute für seinen großen Auftritt zu wünschen. Danach würde der Stress erst richtig beginnen, die Lösung eines neuen Mordfalls stand an.

Nachmittags stand bei Christian noch Sport auf dem Programm, Kanufahren auf der Ill und Klettern an der Kletterwand, beides nur wenige hundert Meter vom Ort entfernt, an dem Oriane vor wenigen Stunden ihren letzten Atemzug getan hatte. Dort würde er Christian heute Nachmittag wieder abholen. Zuvor würde er den Tatort noch einmal in Ruhe und bei Tageslicht begutachten.

Es gab Tage, da kam ihm sein Leben einfach nur schizophren vor. Ein grausamer Mordfall und sein inzwischen wieder intaktes Familienleben mit einem an der Kletterwand hängenden oder auf der Ill paddelnden Christian, nur einen Steinwurf voneinander entfernt …

Er zückte sein Handy und wählte Margaux’ Nummer. Inzwischen musste sie wach sein. Sturni informierte sie darüber, dass ihre gemeinsame Mitbewohnerin der letzten zwei Wochen gestern Nacht ermordet worden war. Obwohl Margaux Oriane nicht ausstehen konnte, war sie geschockt. Kein normaler Mensch wünschte einem anderen den Tod, sollte man meinen. Jahrzehntelange Berufserfahrung hatte Sturni jedoch eines Besseren belehrt.

Fortsetzung folgt…

Stefan Böhm

Straßburger Glaubensbekenntnis
Kommissar Sturnis dritter Fall

Originalausgabe
1. Auflage
© 2020 Stefan Böhm
Taschenbuch-ISBN: 978-3-969-66410-0
Umschlagsgestaltung und Satz:
Sarah Schemske (www.buecherschmiede.net)
Lektorat: Martin Villinger
Korrektorat: Bücherschmiede (www.buecherschmiede.net)
Bestellung und Vertrieb: Nova MD GmbH, Vachendorf
Druck und Bindung:
Sowa Sp. z o.o.
ul. Raszyńska 13
05-500 Piaseczno
Polen

Alle Rechte vorbehalten. Alle Figuren und deren Biografien sind erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

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