Der „Literarische Adventskalender“ (19)

Autor Stefan Böhm und Eurojournalist(e) präsentieren: „Straßburger Glaubensbekenntnis - Kommissar Sturnis dritter Fall“. Heute: Kapitel 19 – „1438: Die geheime Unternehmung“

Ist das der gute Stern, der über Strasbourg steht? Foto: Stefan Böhm / CC-BY-SA 4.0int

Kapitel 19 – 1438: Die geheime Unternehmung

In den letzten vier Jahren hatte er intensiv geforscht, getüftelt, seine handwerklichen Fähigkeiten verbessert und so die wichtigsten Grundlagen für seine große Unternehmung geschaffen. Nun war es soweit. Doch damit seine Erfindung endlich Gestalt annehmen konnte, benötigte er Geld, viel Geld.

„Meine Herren, wir haben uns heute versammelt, um einen geheimen Vertrag abzuschließen, einen geheimen Vertrag für eine neue Erfindung, die die Welt verändern wird.“

Als guter Geschäftsmann hatte er alles perfekt vorbereitet, damit die zahlungskräftige Kundschaft sich an seiner großen Geschäftsidee beteiligte. Nach dieser Vorstellung würden sie ihm alles unterschreiben und ihr Goldsäckel öffnen.

„Mit meiner neuen Technik werden Bücher künftig nicht mehr mühevoll von Hand vervielfältigt werden müssen.“

Wie ein Zauberer zog Henne mit einer tatkräftigen Handbewegung das große Tuch von der Druckerpresse, an der er zusammen mit dem Drechsler Konrad Saspach die letzten zwei Jahre gearbeitet hatte.

„Mit dieser Presse werde ich Schriften, ja ganze Bücher vervielfältigen können. Die jährliche Kopierarbeit eines Klosters wird diese Presse an einem einzigen Tag vollbringen.“

Seine Geschäftspartner sahen ihn mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Staunen an. Vorsichtig strichen sie über die Presse, als handele es sich um einen kostbaren Goldschatz.

Henne hatte gelernt, dass es nicht genügte, ein genialer Tüftler und Erfinder zu sein. Man musste seine Ideen auch gewinnbringend vermarkten, ein guter Verkäufer sein.

„Über ein neuartiges Verfahren ist es mir gelungen, Buchstaben aus Metall zu gießen.“

Er zeigte auf ein hölzernes Kästchen, in dem sich alle Buchstaben des Alphabets aus Metall befanden, die er in den letzten Monaten mittels eines von ihm selbst entwickelten Verfahrens gegossen hatte.

„Diese Buchstaben lassen sich mit einem Winkelhaken beliebig aneinanderreihen. Damit kann man Wörter, ja ganze Sätze zusammenfügen. In einem Setzschiff werden die Sätze so zusammengesetzt, dass sich die komplette Seite eines Buches zusammenstellen lässt.“

Henne zeigte seinen neugierigen Geschäftspartnern eine komplette Seite mit zusammengesetzten Lettern in einem Setzschiff. Dann nahm er zwei Druckballen und tunkte sie in ein kleines Fass mit schwarzer Farbe, rieb sie gegeneinander und trug die Farbe dann mit den Ballen auf die Buchstaben auf dem Setzschiff auf.

„Das ist schwarze Magie!“

Seine Mitstreiter waren so beeindruckt, dass sie an höhere Mächte zu glauben begannen.

„Nein, keine Magie, sondern ehrliches Handwerk, um das Wort unseres Herrn künftig in alle Welt zu verbreiten.“

In die Presse hatte er bereits ein großes Blatt Papier eingelegt. Den mit Farbe bestrichenen Satz verklemmte er in der Vorrichtung. Dann bewegte er den Pressbengel so lange nach unten, bis seine vorgefertigte Seite auf das Blatt Papier gedruckt wurde. Danach bewegte er ihn wieder nach oben und zog die frisch bedruckte Seite aus der Druckerpresse. Voller Stolz zeigte er sie seinen Partnern.

„Ein Mönch hätte mehrere Tage für diese eine Seite gebraucht, die meine Druckerpresse in wenigen Minuten fertigt. Die gleiche Seite lässt sich nun beliebig oft vervielfältigen. Damit lassen sich ganze Bücher in kürzester Zeit und in großer Zahl herstellen.“

Langsam ging seinen Partnern auf, welches Potenzial in seiner Erfindung steckte. Bücher waren gefragt, aber schwer herzustellen oder zu kopieren, und sie waren sehr teuer. Immer mehr Leute lernten inzwischen lesen und sogar schreiben. Mit Hennes Verfahren ließ sich eine neue Welt erobern, die Welt des Geistes und des Wissens. Ganz nebenbei würde sich natürlich auch eine Menge Geld damit verdienen lassen.

„Ich habe für jeden von uns diese Seite gedruckt, auf welcher wir mit unserer Unterschrift besiegeln können, was uns schon in naher Zukunft große Reichtümer einbringen wird.“

Das Blatt Papier, das Henne so werbewirksam vor seinem Publikum bedruckt hatte, war der Vertrag, den er für seine Partner vorbereitet hatte. Jeder würde sich mit einem stattlichen Betrag an seiner geheimen Unternehmung beteiligen und dafür mit einem schönen Anteil an den zu erwartenden Gewinnen belohnt werden.

Henne sah die Gulden glänzen in den Augen seiner Geschäftsfreunde. Sie zeichneten den vorbereiteten Vertrag, ohne ihn auch nur gelesen zu haben. Genauso hatte er es geplant. Er war ein Genie, ein Verkaufsgenie, das gerade eine große Summe Risikokapital eingeworben hatte.

„Meine Herren, lassen Sie uns nun anstoßen mit einem guten Tropfen auf ein neues Zeitalter und auf eine Erfindung, die uns reich und berühmt machen wird. Außerdem wird sie uns einen privilegierten Platz im Jenseits sichern, wenn wir mit meiner Erfindung das Wort des Herrn verbreiten werden.“

Seine Geschäftspartner sprachen dem guten Rotwein aus der Region in großen Mengen zu, hatten feiste rote Wangen und konnten ihr Glück kaum fassen, an einem so erhabenen Moment teilhaben und ihr Kapital in eine so erfolgversprechende Unternehmung investieren zu dürfen. Die Weinsteuer, die Henne jährlich an die Stadt Straßburg entrichtete, hatte inzwischen astronomische Ausmaße angenommen, aber das war es ihm wert. Die Investition würde sich hundertfach auszahlen, wenn nicht im Dies-, so doch zumindest im Jenseits.

Dass es bei seiner geheimen Unternehmung einen noch geheimeren Vorbehalt gab, den nur er selbst kannte, behielt er schön für sich. Das hatte seine Partner nicht zu interessieren.

Das erste gedruckte Werk würde nicht entstehen, um damit Geld zu verdienen, reich zu werden. Nein, das erste gedruckte Buch würde sein Seelenheil sichern, das Seelenheil vieler unschuldiger Sünder, und es würde die Kirche auf den Pfad der Tugend zurückbringen, sei es mit friedlichen Mitteln oder mit Gewalt. Das erste gedruckte Buch sollte in der Tat die Welt verändern, die Welt des christlichen Glaubens.

Fortsetzung folgt…

Stefan Böhm

Straßburger Glaubensbekenntnis
Kommissar Sturnis dritter Fall

Originalausgabe
1. Auflage
© 2020 Stefan Böhm
Taschenbuch-ISBN: 978-3-969-66410-0
Umschlagsgestaltung und Satz:
Sarah Schemske (www.buecherschmiede.net)
Lektorat: Martin Villinger
Korrektorat: Bücherschmiede (www.buecherschmiede.net)
Bestellung und Vertrieb: Nova MD GmbH, Vachendorf
Druck und Bindung:
Sowa Sp. z o.o.
ul. Raszyńska 13
05-500 Piaseczno
Polen

Alle Rechte vorbehalten. Alle Figuren und deren Biografien sind erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

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