Der „Literarische Adventskalender“ (23)

Autor Stefan Böhm und Eurojournalist(e) präsentieren: „Straßburger Glaubensbekenntnis - Kommissar Sturnis dritter Fall“. Heute: Kapitel 23 – „1439 - Einweihungsfeier“

Einweihungsfeier? Darauf könnte man mit einem Bier aus einer lokalen Mikro-Brauerei anstossen... Foto: Stefan Böhm / CC-BY-SA 4.0int

Kapitel 23 – 1439: Einweihungsfeier

Sein Freund Johannes Hültz hatte die Wette gewonnen, sein Meisterwerk tatsächlich vollendet, vor ihm. Daran war nur die Pest schuld! Nach mehr als vierhundert Jahren Bauzeit würde es ihm vergönnt sein, den letzten Stein auf der Spitze des höchsten Gotteshauses der Welt anzubringen.

Er hingegen hatte nach dem Rückschlag fast von vorne beginnen müssen. Den Prozess gegen die Gebrüder seines Geschäftspartners hatte er Gott sei Dank gewonnen. Doch musste er eine neue Presse fertigen lassen, hatte weiteres wertvolles Material an die gierigen Brüder verloren.

Außerdem hatte er neues Kapital auftreiben, sich hoch verschulden müssen. Das erste Werk würde ihm kein Geld, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ein jämmerliches Ende auf dem Scheiterhaufen einbringen. Er ging ein hohes Risiko ein für seine Überzeugungen. War es das wirklich wert?

Wie gut hingegen hatte es Johannes Hültz. Wie einfach war es doch, das höchste Gebäude der Welt zu errichten, im Vergleich zu dem, was er vorhatte. Klare Formen, Stein auf Stein, gen Himmel, und jedermann war begeistert.

Hültz hatte in die filigran wirkende Spitze des Münsterturms eine kleine Wendeltreppe einbauen lassen, über die man die Spitze des Turms erklimmen konnte. Am Tag vor der Einweihung waren die beiden Freunde hinaufgestiegen, um diesen Moment zusammen zu genießen, bevor morgen die großen Feierlichkeiten beginnen und die ganze Stadt für Tage in einen Freudenrausch verfallen würde. Zumindest das, was von ihr übrig war, nach der letzten Pestwelle. Das Leben war kurz, konnte jeden Tag vorüber sein. Es galt also, es zu nutzen, carpe diem! Und es galt vorzusorgen für das eigene Seelenheil im Jenseits. Hültz jedenfalls hatte seinen Teil getan, hatte mit diesem Bauwerk die Tore weit aufgestoßen zum ewigen Leben, auf der richtigen Seite, im Kreise der Engel.

„Die Spitze des Turms ist schon aus zwei Tagesmärschen Entfernung zu sehen. Für alle Zeiten wird sie künden von der Macht und Gottesfürchtigkeit dieser Stadt.“

Sein Freund war wie im Rausch. Ein leichter Wind wehte ihnen um die Nase und sie konnten von ihrem erhabenen Aussichtspunkt die ganze Stadt überblicken, ja das ganze obere Rheintal lag ihnen zu Füßen. Man hatte einen wundervollen Blick auf die Lange Bruck, die lange Brücke, die den Rhein bei Straßburg überspannte und die Grundlage für den Reichtum der Stadt darstellte, als zentraler Knotenpunkt an den Handelswegen von Nord nach Süd und, über die Brücke, von Ost nach West. Sie war die letzte Möglichkeit, den Rhein vor seiner Mündung in die Nordsee auf einer Brücke zu überqueren. Die Berge der Vogesen und des Schwarzwaldes schienen einem von diesem Punkt auf Augenhöhe, so hoch thronten sie über der Stadt.

Aus allen umliegenden Städten strömten Menschen über die Brücke, waren von weit her angereist, um morgen am großen Ereignis teilhaben zu dürfen. Die ganze Welt würde morgen den Baumeister des Straßburger Münsters feiern, der diesem zu Ehren Gottes geschaffenen Wunderwerk den letzten Stein in die Krone setzen würde. Von Basel bis nach Xanten, von Venedig bis nach Paris würde sich fortan herumsprechen, dass der Nabel der Welt sich von nun an in Straßburg befinde, genau an der Stelle, wo sie gerade die warmen Sonnenstrahlen und den angenehmen Wind genossen.

Henne freute sich für seinen Freund. Ihm selbst hingegen war weniger wohl ums Herz. Er war Jahre entfernt von der Vollendung seiner eigenen Mission.

Außerdem kamen ihm Zweifel. War er wirklich auf dem richtigen Weg? Selbst wenn er die Technik perfektioniert hatte, durfte er seinen Plan wirklich in die Tat umsetzen? Sein Freund Nikolaus hatte die Seiten gewechselt, machte sich gemein mit dem Papst und den Seinen. Auch sein Freund Johannes, der gerade so entrückt neben ihm stand, würde ihn keines Blickes mehr würdigen, wenn er seine Pläne in die Tat umsetzte. Ganz zu schweigen von den Pfaffen, die Jagd auf ihn machen würden, bis sie ihn als Ketzer auf dem Scheiterhaufen brennen sähen.

Henne vertrieb seine dunklen Gedanken. Noch war seine Technik nicht ausgefeilt genug, die Entscheidung hatte also noch einige Jahre Zeit.

Er beschloss, jede Sekunde des schönen Moments auszukosten, gemeinsam mit seinem Freund Johannes als erster auf dem höchsten Kirchturm der Welt zu stehen, denn das lag ihm, der Erste und der Beste zu sein, immer und überall.

Fortsetzung folgt…

Stefan Böhm

Straßburger Glaubensbekenntnis
Kommissar Sturnis dritter Fall

Originalausgabe
1. Auflage
© 2020 Stefan Böhm
Taschenbuch-ISBN: 978-3-969-66410-0
Umschlagsgestaltung und Satz:
Sarah Schemske (www.buecherschmiede.net)
Lektorat: Martin Villinger
Korrektorat: Bücherschmiede (www.buecherschmiede.net)
Bestellung und Vertrieb: Nova MD GmbH, Vachendorf
Druck und Bindung:
Sowa Sp. z o.o.
ul. Raszyńska 13
05-500 Piaseczno
Polen

Alle Rechte vorbehalten. Alle Figuren und deren Biografien sind erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

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