Der Lobby-Champion

Günther Oettinger, ehemaliger Kommissar der Europäischen Kommission, sammelt eifrig Nebenjobs.

Günther Oettinger ist Spitzenklasse, wenn es darum geht, mit Lobbyarbeit Geld zu verdienen... Foto: EU2016 NL from the Netherlands / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Die Kommission Juncker ist seit Ende 2019 nicht mehr im Amt. Nach den geltenden Regeln sollen deren (ehemalige) Kommissare sich 2 Jahre lang zurückhalten in der Annahme von neuen Posten (sog. „Abkühlzeit“). In der Zwischenzeit dürfen sie nur dann tätig werden, wenn sie sich die Aktivitäten vorab von der Europäischen Kommission (EU) genehmigen lassen. Besonders eifrig ist der ehemalige deutsche Kommissar Günther Oettinger.

Günther Oettinger ist in Baden-Württemberg kein Unbekannter. Von 2005 bis 2010 war er im Ländle Ministerpräsident, bevor er in die Kommission Barroso nach Brüssel berufen wurde. Dort war er bis 2019 für verschiedene Bereiche verantwortlich, zuletzt für Haushalt und Personal in der Kommission Juncker. Im Alter von 67 Jahren könnte man sich eigentlich ein bisschen Ruhe gönnen. Für Oettinger gilt das nicht. „Ausruhen/abkühlen“ gehört nicht zu seinem Wortschatz. Im ersten Jahr nach dem Ausscheiden aus der EU-Kommission hat er sich glatte 13 neue Beschäftigungsverhältnisse genehmigen lassen – ein einsamer Rekord.

Neben Posten bei Stiftungen arbeitet er als Aufsichtsrat der Tunnelbohrfirma Herrenknecht oder aber sitzt im Beirat von Beratungsgesellschaften wie Deloitte und Kekst CNC. Posten Nummer 14 wartet noch auf seine Genehmigung. Oettinger möchte den ungarischen Innovationsrat leiten – auf Wunsch des dortigen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Da kommt doch der Gedanke auf, dass Oettinger missbraucht werden könnte, um die umstrittene Politik des Ministerpräsidenten in den europäischen Institutionen besser zu verkaufen. Oettinger wehrt sich: „Ich werde nicht für ein Gremium arbeiten, das die Wissenschaftsfreiheit nicht genügend achtet“, beteuerte er als seine Absichten bekannt wurden.

Stellt sich also generell die Frage. Was tun mit den Europapolitikern, die nach ihrer Amtszeit aktiv bleiben wollen? Insbesondere macht Negativschlagzeilen, wenn sie sich nach ihrem Abschied als Lobbyisten von Privatfirmen anheuern lassen. Die Antikorruptions-NGO Transparency International (TI) hat sich die „Drehtüren“ in Brüssel etwas näher angeschaut. Ihre Analyse hat gezeigt, dass beinahe ein Drittel aller früheren Spitzenbeamten der Europäischen Kommission inzwischen für private Firmen arbeitet.

Diese Migration in Richtung Lobbyisten-Jobs könne nur dann drastisch reduziert werden, wenn die „Abkühlzeiten“ auf mindestens drei Jahre verlängert würden. Auf diese Weise könnte sichergestellt werden, mögliche Interessenkonflikte auszuschließen. Störend wird insbesondere empfunden, dass die Ausnahmegenehmigungen während der Abkühlphase von der Europäischen Kommission selbst erteilt werden müssen. Dort arbeiten doch diejenigen, die gestern noch die Anordnungen der Antragsteller befolgen mussten.

Laut Transparency International sollte die Europäische Kommission eine unabhängige Ethikkommission einrichten. Nur solch ein Gremium könnte dem Missbrauch der einzuhaltenden Regeln entgegensteuern. Ob und wann diese Ethikkommission allerdings kommen wird, das steht in den Sternen. Auf Nachfrage seufzte die Pressestelle der Europäischen Kommission: „Wir haben jetzt schon die strengsten Regeln der Welt“!! Na dann.

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