Der Mittäter

Der Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche Kyrill I. hat ein ähnliches moralisches Gewicht wie der Papst bei den Katholiken. In wessen Namen er wohl den Krieg in der Ukraine rechtfertigt?

Kyrill I. jammert, dass der russische Angriffskrieg seinem Land keine Sympathiepunkte einbringt... Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Kyrill I. ist eine wichtige, eine hoch angesehene Persönlichkeit in Russland. Als Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche hat er es nicht immer leicht gehabt in einem Land, in dem Staats-Credo ist, dass „Religion Opium fürs Volk“ ist. Doch die Art und Weise, wie Kyrill I. den Putinsch’en Angriffskrieg in der Ukraine rechtfertigt, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Dass er dazu auch noch öffentlich jammert, dass dieser Krieg Russland keine Sympathiepunkte einbringt, schlägt dem Fass den Boden aus.

Was erwartet Kyrill I. eigentlich? Dass die Welt begeistert Beifall klatscht, weil sein Präsident ein Nachbarland überfallen hat und dort Frauen, Kinder und Männer umbringt? Gehört das zum russisch-orthodoxen Glauben? Immerhin, Kyrill I. merkt an, dass sich „die Russophobie in der westlichen Welt in einem noch nie dagewesenen Tempo ausbreitet“. Der Ärmste. Was für eine böse Welt, dass sie so negativ auf diesen netten, kleinen Angriffskrieg reagiert. Kyrills Gejammer ist ungefähr so, als hätte sich ein deutscher Kardinal im Herbst 1939 darüber beklagt, dass der deutsche Überfall auf Polen vom Rest der Welt nicht begeistert bejubelt wird.

Und plötzlich merkt man, dass auch die russisch-orthodoxe Kirche Russlands inzwischen nur ein Rädchen in der Propaganda-Maschine geworden ist. Wäre es nicht Aufgabe einer Kirche, Frieden und das Ende des Tötens zu verlangen? Stattdessen ist selbst die Wortwahl des Patriarchen Putin-kompatibel. „Dieser tragische Konflikt ist Teil einer großangelegten geopolitischen Strategie geworden, dessen oberstes Ziel es ist, Russland zu schwächen.“ Aha. Richtiger wäre die Aussage gewesen: „Dieser völkerrechtswidrige Überfall auf ein Nachbarland ist Teil einer großangelegten geopolitischen Strategie geworden, deren oberstes Ziel es ist, Putins Traum von einem russischen Großreich zu erfüllen.“ Kyrill I. gehört zu den wenigen Menschen in Russland, die sich trauen könnten, den Krieg auch als solches zu bezeichnen. Er gehört zu den wenigen Menschen in Russland, die Frieden fordern könnten, statt dem Kriegsherren Putin auch noch die moralische Rechtfertigung zu geben. Und damit wird Kyrill I. zu einem Verbrecher wie Putin selbst.

Auf welche Bibel-Passagen sich Kyrill I. für seine abenteuerlichen Aussagen stützt, ist schleierhaft. Dass der Mann damit allerdings auch das moralische Fundament verlassen hat, das ihn berechtigen würde, der Chef von Millionen gläubiger Russen zu sein, das wird man wohl erst später richtig erkennen.

Für viele Gläubige in Russland ist das Wort des Patriarchen ein fast „göttliches“ Wort. Seine Aufgabe wäre es gewesen, auf Putin einzuwirken, das sinnlose Töten einzustellen und laut Frieden einzufordern. Doch durch seine Aussagen ist Kyrill I. zu einem ganz gewöhnlichen Mittäter geworden, der ebenso wie Putin für das Abschlachten von Frauen, Kindern und Männern verantwortlich ist. Wer bitteschön braucht eine solche Religion?

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