Der Möchtegern-Orban

Der ultra-nationalistische Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour versucht, auf dem Rücken des Ukraine-Kriegs Wahlkampf zu machen. Dieser Mann sollte nie Präsident Frankreichs werden.

Wenn solche Leute Kandidat für die Präsidentschaft werden können, stimmt etwas mit dem System nicht. Foto: IllianDerex / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Seit wenigen Tagen herrscht Krieg in Europa, bereits weit über 400.000 Menschen sind aus dem Land geflohen und die EU-Kommission rechnet mit bis zu 7 Millionen Flüchtlingen. Durch ganz Europa läuft eine Welle der Solidarität. Nur einen hat diese Welle nicht erfasst – den ultra-nationalistischen Kandidaten Eric Zemmour, ausgewiesener Rassist und Polit-Provokateur, der sich am Montagmorgen in der Morgensendung bei RTL selbst aus dem Rennen um das höchste französische Staatsamt geredet hat. Dass der mehrfach wegen Volksverhetzung und ähnlicher Delikte vorbestrafte Zemmour nun versucht, auf dem Rücken der militärischen und humanitären Krise in der Ukraine Wahlkampf zu betreiben, dürfte selbst hartgesottene Anhänger dieses Politik-Amateurs zum Zweifeln bringen. Zemmour würde es dann doch vorziehen, würden die ukrainischen Flüchtlinge in Polen bleiben, statt sein reinrassiges Frankreich zu stören. Der Mann ist schlicht und ergreifend nicht wählbar.

Zemmour, der noch im Dezember wettete, dass Russland nie in die Ukraine einmarschieren würde („da habe ich wohl Blödsinn geredet“…), scheint nicht begriffen zu haben, dass die Menschen, die gerade scharenweise die Ukraine verlassen, nicht etwa auf einer touristischen Reise sind, dass sie keinesfalls als Lebensplan haben, das französische Sozialsystem zu belasten, sondern dass sie um ihr Leben laufen. „Es ist nicht gut, die Menschen weit von ihrem Land wegzureißen, und damit Frankreich zu destabilisieren, das bereits unter der Immigration ertrinkt“, sagte Zemmour, als ob irgendjemand gerade versuchen würde, Menschen aus der Ukraine „wegzureißen“, um sie in Frankreich anzusiedeln. Der eiskalte Zynismus dieses Mannes, der zuletzt auch darauf hinwies, dass „die Ukraine 1000 Jahre lang zu Russland gehört hat“, ist kaum zu überbieten.

Nun ist das, was der Kandidat Zemmour zum Thema Ukraine zum Besten gibt, im Grunde völlig unwichtig. Momentan zählt, ob das Zemmour und den anderen nun passt oder nicht, nur das Wort des Präsidenten in Frankreich. Dieser vertritt Frankreich im europäischen Kontext, dieser hat die Aufgabe, sich mit den westlichen Partnern auf das weitere Vorgehen zu verständigen. Man mag zu Macron stehen, wie man will, in dieser Situation ist weder Zeit noch Raum, die abstrusen Ideen seines Gegenkandidaten ernsthaft zu diskutieren. Selbst die zweite rechtsextreme Kandidatin, Marine Le Pen, hat sich für die Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge ausgesprochen, „unter der Leitung des UN-Flüchtlingskommissariats“. Und das, obwohl ihre Partei, das „Rassemblement National“ (früher „Front National“) seit Jahren von Russland finanziert wird.

Großzügig vertritt Zemmour die Ansicht, dass man Polen bei der Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge helfen solle, aber insgesamt wäre es doch deutlich praktischer, würden die Flüchtlinge in Polen bleiben, denn dann wäre ja nach Kriegsende auch der Rückweg kürzer. Dieser Mann verkörpert das Gegenteil von fast allem, was Frankreich zu einer großen Nation gemacht hat. Der in Afrika geborene Zemmour, erstaunlicherweise selbst ein jüdischer Antisemit (!), hat mit der französischen Kultur und Wesensart, die er vorgibt schützen zu wollen, nichts am Hut. Stattdessen führt er sich auf wie eine blasse Kopie des ungarischen Nationalisten Viktor Orban. Doch in der heutigen Situation sind solche Leute nicht nur einfach ärgerlich, sondern gefährlich. Hass auf Menschen zu schüren, die vor russischen Bomben flüchten, ist so ziemlich das Letzte, was man von einem Politiker erwarten darf.

Doch ist all das eigentlich nicht verwunderlich, hält Zemmour doch den russischen Despoten und Kriegsherren Wladimir Putin für einen „autoritären Demokraten, gewählt vom Volk, der Methoden anwendet, die wir nicht anwenden“. Seine Bewunderung für den Kreml-Chef kennt kaum Grenzen. „Ich sage nur, dass Putin ein Patriot ist und entschlossen die Interessen seines Landes vertritt und ich werfe den französischen Politikern vor, das nicht ebenfalls zu tun“. Da stellt sich die Frage, wer von den beiden durchgeknallter ist – Putin oder Zemmour.

Abgesehen davon, dass es hochgradig unanständig ist, in einer solchen Situation nationalen Wahlkampf über die internationale Solidarität zu stellen, dass es ebenso unanständig ist, den Kriegsherren und Massenmörder Putin als nachahmenswertes Beispiel darzustellen, haben die unglaublichen Aussagen Zemmours zumindest einen Vorteil. Niemand wird mehr sagen können, er habe nicht gewusst, wofür Zemmour steht. Wo er aber sein Vorbild Putin so verehrt und sich in Frankreich offenbar an jeder Straßenecke bedroht fühlt, möchte man ihm zurufen „dann geh doch nach drüben!“ Aber einen derart verstörten Zeitgenossen könnte vermutlich nicht einmal Wladimir Putin brauchen. Und Frankreich noch viel weniger.

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