Der Schrei nach Liebe bis in den Tod – „Salomé“ an der Rheinoper

In der Rheinoper in Straßburg darf die schöne Salomé ihren Schleiertanz vorführen und damit nur ihre und die anderen wahren Begierden vor allem der Männer in ihrer Umgebung ziemlich offenherzig verschleiern.

Autsch - Salome hat es faustdick hinter den Ohren. Was allgemein bekannt ist. Foto: Rheinoper Strasbourg

(Von Michael Magercord) – Der Opernregisseur Oscar Fritz Schuh weigerte sich Wagner und Strauss zu inszenieren. Beim Hören der Musik der Oper Salome von Richard Strauss wäre er sich bewusst geworden, warum 1914 in Europa der Weltkrieg ausbrechen musste. Strauss selbst konnte ihn verstehen. Die Protagonisten seiner Oper sind „lauter perverse Leute, und, nach meinem Geschmack, der perverseste der ganzen Gesellschaft ist – der Jochanaan“, meinte der Komponist zum Bühnenpersonal seines 1905 uraufgeführten Singspiels.

Leicht war es nicht, einen Ort zur ersten Präsentation der perversen Schar zu finden. Wien lehnte ab. “Die Darstellung von Vorgängen, die in das Gebiet der Sexualpathologie gehören, eignet sich nicht für unsere Hofbühne“, schrieb neun Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs der Hofzensor an den Direktor der Staatsoper Gustav Mahler. Und dazu dann noch diese Musik: schroff, eiskalt und zutiefst suggestiv.

In Dresden konnte es dann doch erstmals von der Bühne gehen, und seither darf man in allen Opernhäusern dieser Welt immer wieder rätseln, warum ausgerechnet der geköpfte und geküsste Jochanaan, der eigentlich der biblische Johannes der Täufer ist, der perverseste von allen sei, und warum sich in dem laszessiven Tanz der sieben Schleier ein Weltkrieg andeutet.

„Der Kopf eines Mannes, der vom Rumpf getrennt ist, ist ein übler Anblick“, lässt sich König Herodes vernehmen. Recht hat er, aber er selbst hat das eingebrockt. Er wollte ja unbedingt seine schöne Stieftochter tanzen sehen, die aber forderte dafür den Kopf des Heiligen, weil der sie zuvor hat abblitzen lassen. Einen Kuss wollte sie ausgerechnet von dem Mann, der im Kerker saß, weil er sich über das lasterhafte Leben der Herrschersippschaft ereifert hatte. Nun ist der Kopf ab und der kann sich ohne Körper nicht mehr des Kusses erwehren. Herodes ist davon derart angeekelt, dass er seine Stieftochter töten lässt.

Ja, alles ziemlich pervers. Ausgedacht hat sich das Oskar Wilde, und Richard Strauss erhörte den Schrei dieses Szenarios nach Musik. Denn er fand, dieses Durcheinander der heftigsten Gefühle und Gelüste sei eben auch zutiefst menschlich. Und hat er nicht Recht? Verbirgt sich nicht hinter jeder Gewalttat ein Schrei nach Liebe? Und so wird auch klar, warum der Täufer der perverseste von allen ist: Jede moralinsaure Predigt ist nämlich immer auch eine wütende Abwehrschlacht gegen eigene innere Begierden.

In Zeiten des religiös-moralischen Terrors stellen sich da tatsächlich einige seltsame Gedanken ein. Besser vielleicht, sie auf die Bühne zu bringen, als sich davor zu drücken. Olivier Py, der Regisseur dieser neuen Produktion der Rheinoper, tut es seinem Vorvorgänger in Wien nicht gleich und hat einen offenherzigen Umgang mit den Perversen gefunden. Und außerdem ist es heute sogar ganz eiskaltes Intendantenkalkül, die tödlichen Verlockungen der Salomé völlig unverschleiert auch dazu zu nutzen, das Publikum über den Rhein nach Straßburg zu locken.
Salomé – Oper in einem Akt von Richard Strauss

Strasbourg – Opéra
FR, 10. März, 20 Uhr
MO, 13. März, 20 Uhr
DO, 16. März, 20 Uhr
SO, 19. März, 15 Uhr
MI, 22. März, 20 Uhr

Mulhouse – La Filature
FR, 31. März, 20 Uhr
SO, 2. April, 15 Uhr

Tickets und Informationen: www.operanationaldurhin.eu

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