Der spröde Charme der deutsch-französischen Beziehungen

Das Treffen der beiden Regierungschef Elisabeth Borne und Olaf Scholz in Berlin war alles andere als ein Feuerwerk der Herzlichkeit.

Auch solche Szenen gab es schon auf höchster Ebene - heute sind die Beziehungen weniger herzlich. Foto: FEFA Fondation Entente Franco-Allemande

(KL) – Was waren das für Zeiten, als zwischen Deutschland und Frankreich so etwas wie Herzlichkeit herrschte! Wenn Jacques Chirac und Helmut Kohl „Chez Yvonne“ in Straßburg Bier tranken und Sauerkraut aßen! Oder sich der gleiche Helmut Kohl und François Mitterand über den Gräbern von Verdun die Hand reichten! Doch die Zeiten der Emotionen in den deutsch-französischen Beziehungen sind vorbei und haben der Generation der Verwalter und Controller Platz gemacht, die den deutsch-französischen Elan als „Motor Europas“ immer zäher gestaltet. Das zeigte nun auch der Besuch der französischen Regierungschefin Elisbeth Borne in Berlin, ebenso wie die Besuche der deutschen Koalitionsspitzen Baerbock und Habeck und Linder diese Woche in Paris – man möchte wohl mehr Deutsch-Französisches, aber man kann nicht.

Der kürzliche Versuch von Außenministerin Annlena Baerbock die deutsch-französischen Beziehungen einfach schönzureden, wurde von ihrem Chef Olaf Scholz und seiner Besucherin Elisabeth Borne kurzerhand mit den üblichen Slogans übertüncht. Wie wichtig doch die deutsch-französischen Beziehungen, ja, die Freundschaft für Europa und überhaupt sei, da waren sich beide einig. Also dazu, wozu sich mittlerweile schon ganze Generationen von Politikern einig waren. Impulse gibt es kaum. Divergenzen allerdings, wo das Auge hinschaut.

In den wichtigen Fragen unserer Zeit gehen Paris und Berlin ihre eigenen Wege, da gibt es nur noch wenig Gemeinsamkeiten. Energie? Französisches Atom-Credo vs. deutsche Energiewende über den Umweg Braunkohle. Pandemie? Beide Länder gehen ganz unterschiedliche Wege und stimmen sich, wenn überhaupt, nur in periphären Fragen ab. Wirtschaft? Tja, wer kann, der kann. Denkt Olaf Scholz, der mit seinem „Doppelwumms“ auch klein- und mittelständischen Unternehmen Rückenwind gibt. Und Frau Borne und viele andere hätten es lieber gesehen, hätte Deutschland diese 200 Milliarden Euro in einen europäischen Energiefonds gepumpt, um das viel beschworene „Europa der Energie“ auf den Weg zu bringen. Aber da stehen eben die nationalen Interessen einer weitaus erfolgversprechenderen europäischen Lösung im Weg.

In Berlin verständigte man sich dann doch noch medienwirksam auf etwas. Und zwar auf etwas, auf das man sich schon längst verständigt hatte, nämlich die französische Lieferung von Gas nach Deutschland, im Falle einer Knappheit in diesem ersten Kriegswinter 22/23 und im Gegenzug, die Lieferung von Strom von Deutschland nach Frankreich, wenn die dortige Stromproduktion in den AKWs (von denen praktisch ständig die Hälfte abgeschaltet ist) weiterhin so vor sich hinstottert wie seit Jahresbeginn. Das ist schön und wurde entsprechend freudig mitgeteilt. Man darf gespannt sein, wie oft das noch kommuniziert wird.

Die deutsch-französischen Beziehungen haben immer schon vom Engagement der handelnden Personen gelebt. Waren echte Verfechter dieser Beziehungen am Drücker, gab es positive Entwicklungen, doch nun, im Zeitalter der Administratoren, fehlt es klar an Perspektiven, wie sie beispielsweise eine Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland mit ihrer „Frankreich-Strategie“ auf den Weg brachte.

Das aber ist gerade nicht so erfreulich für Olaf Scholz und Elisabeth Borne. Denn in ein paar Wochen schon feiern wir den 60. Jahrestag des Elysée-Vertrags und damit auch des Aachener Vertrags, der ja am gleichen Datum unterzeichnet wurde. Und zu den dann stattfindenden Jubelveranstaltungen wird man auch ein wenig Aktuelles zum Bejubeln brauchen. Da passt die momentane Funkstille nicht gut ins Bild.

Viele der auf hoher Ebene Verantwortlichen in der Politik, die sich zu Themen wie der deutsch-französischen Beziehungen eines „unverbauten Blicks“ rühmen, haben schlicht keine Ahnung von den Realitäten an den Schnittstellen zwischen beiden Ländern. Diese funktionieren in erster Linie noch dort, wo die Zivilgesellschaft aktiv ist, nicht aber, weil die politische Aktion diese Beziehungen mit entscheidenden Impulsen versorgt.

Ob es die Spitzen der französischen und deutschen Regierungen bis zum 22. Januar schaffen, ein richtig positives deutsch-französisches Narrativ aufzusetzen? Oder ob es doch noch gelingt, in dieser Legislaturperiode den deutsch-französischen Motor zu zünden?

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