Der starke Mann Europas

Bei seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats hat der französische Präsident Emmanuel Macron vor allem eines gezeigt: Der Chef im europäischen Ring ist ab sofort er.

Sein Besuch am Oberrhein hat dem französischen Präsidenten sichtlich Freude gemacht... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Eines muss man dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron lassen – er ist ein begnadeter Redner. So war auch seine Ansprache vor der Vollversammlung des Europarats rundum gelungen, zumindest, was seine Strategie anbelangte. Nach Straßburg gekommen war Emmanuel Macron, um dem Europarat zum 70. Geburtstag zu gratulieren und dementsprechend war auch seine Rede aufgebaut.

Nach einer höflichen Rückschau auf die 70 Jahre des Europarats wurde Macron dann aber schnell politisch. So begrüßte er, dass Russland weiterhin Mitglied des Europarats bleibt, dass das russische Volk, bei dem er „eine europäische Kultur, Geschichte und Werte“ sieht, weiterhin den Segen des Europarats genießen kann, wie beispielsweise die Möglichkeit, sein Recht gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geltend zu machen. Und da sich Macron in seiner Rede daran erinnerte, dass 1989 Michael Gorbatchev zum „Aufbau des europäischen Hauses“ aufgerufen hatte, sah der französische Präsident im Europarat dann auch die Institution, die ganz Europa unter einen Hut bringen kann.

Genau in diesen Momenten, wenn er mit weit ausladenden Bewegungen und leicht verklärtem Blick seine europäischen Visionen darlegt, da merkt man, dass eine Wachablösung an der Spitze Europas stattgefunden hat – nach der Ära Merkel ist die Ära Macron angebrochen, auch, wenn noch lange nicht klar ist, ob dies irgendjemandem nutzen wird.

Denn nach seinem osteuropäischen Exkurs kam Macron, Überraschung!, auf die französische Innenpolitik zu sprechen. Damit antizipierte er unangenehme Fragen nach den französischen Polizeieinsätzen bei Demonstrationen, bei denen die französischen Ordnungshüter ihre Kollegen in Moskau oder Hong Kong gelegentlich wie Chorknaben aussehen lassen. Wissend, dass verschiedene Verfahren gegen Frankreich beim Europarat wegen genau dieser Polizeigewalt geplant sind, machte Macron die überraschende Ankündigung, dass er seine Regierung beauftragt habe, eine „neue Doktrin für die innere Sicherheit und die Aufrechterhaltung der Ordnung“ zu erarbeiten. Diese würde „kommuniziert und transparent gehandhabt werden“. Eine solche innenpolitische Ankündigung bei einer Rede vor dem Europarat?

Zur Frage der Migration sagte Macron in der Fragen-und-Antworten-Runde mit den Delegierten, dass Europa bislang Griechenland und Italien „im Stich gelassen“ habe und dass Finanzmittel freigemacht werden müssten, damit diese Länder die Aufnahme und die Weiterverteilung der Flüchtlinge finanzieren könnten. Und es war auch niemand unhöflich genug um zu fragen, warum eigentlich auch Frankreich seine Häfen für Rettungsschiffe auf dem Mittelmeer geschlossen hat.

Wenn Emmanuel Macron eine Stunde lang redet, dann klingt das eine Stunde lang gut. Seine Analysen des Vergangenen sind intelligent, seine Zukunftsvisionen klingen immer so, dass sie jedem gefallen. Doch klafft eine Lücke zwischen den Ankündigungen und den Realitäten. So könnte diese neue „Doktrin für die innere Sicherheit und die Aufrechterhaltung der Ordnung“ ebenso ein gesellschaftlicher Brückenschlag zwischen Staat und Gesellschaft werden, wie aber auch ein Instrument zur gewaltsamen Unterdrückung jeglicher abweichenden Meinung. Die Anti-Schläger-Gesetze, die während der Gelbwesten-Spitzenzeiten durchgepeitscht wurden, sind bereits ein solches Instrument, weswegen man im Falle einer Ausarbeitung einer solchen „Doktrin“ sehr genau hinschauen sollte, was tatsächlich darin steht.

So oder so, sein Auftritt vor der europäischen Bühne hat Macron sichtlich Freude gemacht, was man von vielen Straßburgern allerdings nicht sagen konnte. Die Sicherheitsvorkehrungen waren sehr umfangreich, der Verkehr kam teilweise zum Erliegen, ganze Stadtteile wurden temporär sogar für Fußgänger und Fahrradfahrer gesperrt und solche Besuche auf hoher Ebene sind für die Einwohner der Stadt immer mit großen logistischen Problemen verbunden. Gespannt wird man allerdings jetzt auf diese „Doktrin“ sein, aus der man ablesen kann, wie der französische Präsident künftig seine Beziehungen zu seinem Volk gestalten will.

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