Der Stichtag

Heute, am 15. März, enden die „Großen Nationalen Debatten“ in Frankreich, über die Präsident Emmanuel Macron einen Dialog mit seinen Landsleuten aufbauen wollte. Jetzt muss geliefert werden.

Frankreich ist müde von 4 Monaten dieser Bilder. Nun muss die Phase eines Reformprozesses beginnen. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der französische Präsident ist momentan vermutlich gar nicht so unglücklich mit der medialen Aufmerksamkeit für den Brexit. Denn heute enden die „Großen Nationalen Debatten“, bei denen die Französinnen und Franzosen debattieren und Vorschläge einreichen konnten, wie man die französische Gesellschaft und deren Institutionen verbessern kann. Zehntausende dieser Debatten fanden in den letzten Wochen statt, Zehntausende Vorschläge wurden eingereicht und werden gerade digitalisiert, damit sie ausgewertet werden können. Und dann hat Präsident Macron kaum eine andere Wahl, als substantielle Reformen im sozialen Bereich anzugehen und gleichzeitig die verkrusteten französischen Verwaltungsstrukturen fürs 21. Jahrhundert fit zu machen.

Doch auch die nächste Phase des Versuchs der Befriedung der französischen Gesellschaft wird nicht einfach, denn auch, wenn Macron gerade in den Umfragen leicht nach oben rutscht, ist sein Vertrauenskredit verspielt. Rund 2/3 seiner Landsleute glauben nicht daran, dass auf Grundlage dieser „Großen Nationalen Debatten“ tatsächlich Änderungen passieren werden. Also wird Macron seine Reformen gegen das Misstrauen seiner Landsleute durchführen müssen, denn eines ist klar: Sollte Macron so weitermachen wie bisher und den Input seiner Landsleute ignorieren, dürfte er von einer gelben Welle weggespült werden.

Dabei sind die großen Themen eigentlich klar. Frankreich fordert die Wiedereinführung der Reichensteuer ISF, Mindestlohn und Renten sollen angehoben werden, Obdachlosigkeit und prekäre Wohnverhältnisse sollen geändert werden und der Wunsch nach der Einbindung der Stimme der Bevölkerung in den politischen Alltag ist nicht zu überhören.

Die angekündigten nächsten „Akte“, sprich samstäglichen Demonstrationen mit Gewalteinlagen, werden diesen Prozess nicht einfacher machen. Zumal die „Gelbwesten“ weiter den Ton verschärfen – der „Akt“ am kommenden Wochenende steht unter dem Titel „Das Ultimatum“, wobei weder klar ist, was in diesem „Ultimatum“ gefordert wird oder auch von wem. Statt am 16. März ein „Ultimatum“ zu stellen, wäre es sinnvoller, die Auswertung der „Großen Nationalen Debatten“ und die Reaktion der Regierung darauf abzuwarten. Doch in der aktuell aufgeheizten Stimmung auf so etwas wie Vernunft zu setzen, ist wohl etwas gewagt. Bleibt also nur zu hoffen, dass die samstäglichen Demonstrationen diesen Ansatz zur Lösung der sozialen Krise in Frankreich nicht nachhaltig beeinträchtigen. Präsident Macron sollte wissen, was die Stunde geschlagen hat. Dieses Mal wird er mehr abliefern müssen als wohlklingende Ansprachen und politische Kommunikation.

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