Der Tourismus in der Türkei ist mitten in der Krise

Die unübersichtliche Lage in der Türkei, die Anschläge von Ankara und Istanbul – all das schreckt westliche Touristen von Reisen in die Türkei ab. Jetzt hat auch noch Russland eine Reisewarnung für die Türkei herausgegeben.

So schön die türkische Riviera auch sein mag, wie hier die Bucht von Alanya, so bricht der Tourismus in der Türkei gerade ein. Foto: Nize / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Im vergangenen Jahr belief sich der Anteil des Tourismus am türkischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 10,6 %, was zeigt, welch wichtigen Stellenwert der Tourismus für die türkische Wirtschaft hat. Doch dieser so bedeutende Wirtschaftszweig implodiert gerade – nach Angaben von Reiseveranstaltern weisen die Buchungen für Reisen in die Türkei einen Rückgang von 25 % auf, Tendenz weiter sinkend. Zwei der wichtigsten Touristengruppen, Deutsche und Russen, machen gerade aus Sicherheitsgründen einen Bogen um die türkische Riviera und das beliebte Kurzreiseziel Istanbul.

Nachdem erst vor wenigen Jahren russische Touristen die relativ günstigen touristischen Angebote an der türkischen Riviera für sich entdeckt hatten, dürfen seit dem Abschuss eines russischen Militärflugzeugs im letzten November russische Reisebüros keine Reisen in die Türkei mehr verkaufen. Und als ob das für den Tourismus in der Türkei nicht schon schlimm genug wäre, haben die russischen Behörden jetzt noch eine Reisewarnung herausgegeben, in der sie ihren Landsleuten mitteilen, dass man in der Türkei nicht nur Gefahr laufe, Opfer von terroristischen Anschlägen zu werden, sondern dass man auch nach Syrien entführt werden oder als „menschlicher Schutzschild“ missbraucht werden könne.

Dass nun in Russland kaum noch jemand Lust verspürt, Urlaub in der Türkei zu machen, ist verständlich. Ebenso, wie man nachvollziehen kann, dass auch die Buchungen aus Deutschland eingebrochen sind, nachdem bei dem Anschlag von Istanbul eine deutsche Reisegruppe Ziel und Opfer eines Attentats wurde.

Wer immer die Anschläge von Ankara und Istanbul tatsächlich begangen hat, was man vermutlich nie genau klären wird, er hatte mit seinen Anschlägen Erfolg. Die Türkei wurde an einem hoch sensiblen Punkt getroffen, ebenso wie Deutschland und Russland springt jetzt eigentlich nur noch auf einen fahrenden Zug auf. Kein Land kann sich einen solchen Einbruch in einem seiner wichtigsten Wirtschaftsbereiche leisten. Und der türkische Tourismus hat keine Chance, sein Image zu verbessern. Wer will schon dort Urlaub machen, wo tote Flüchtlingskinder an den Strand gespült werden, wo Terroristen Anschläge durchführen, wo ein Bürgerkrieg zwischen der Türkei und den Kurden stattfindet, wo man nicht einmal einschätzen kann, wie das Verhältnis der Regierung zum Krieg in Syrien ist – all das sind Gründe, die auch ein günstiges Pauschalangebot all inklusive wenig attraktiv erscheinen lassen.

Dabei ist die Situation kaum anders als beispielsweise in Ägypten, in Tunesien und den anderen Ländern der Region – der religiöse Fanatismus frisst seine Kinder. Dabei benötigen gerade diese Länder stabile Einnahmen, um den schwierigen Weg hin zu mehr Demokratie (wie in Tunesien) oder heraus aus dem Chaos (wie in Ägypten) zu schaffen.

Einen Teil der Schuld an dieser Entwicklung trägt die Türkei selbst – aufgrund der völlig undurchsichtigen Politik von Präsident Erdogan, der unter massivem Verdacht steht, mit so ziemlich jedem zu paktieren, von dem er sich persönliche Vorteile verspricht. Höchst seltsam war, dass nach dem Anschlag von Istanbul nur wenige Stunden vergingen, bis die türkischen Behörden den Schuldigen präsentierten, den „IS“ für den Anschlag verantwortlich machten und die Ermittlungen flugs einstellten. Das dieses Attentat und vor allem die bis heute nicht erfolgte Übernahme der Verantwortung für den Anschlag durch den „IS“ hinterlassen massive Zweifel, denn bisher hat sich der „IS“ stolz jede Gräueltat und jeden Anschlag auf die Fahne geschrieben und die Attentäter als „Helden“ gefeiert. Nur nicht für den Anschlag in Istanbul.

Die türkische Regierung versucht nun, gegen diese Entwicklung zu kämpfen. Mit militärischer Präsenz an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Doch ob dies den zusammenbrechenden Tourismus in der Türkei attraktiver gestalten kann, ist mehr als fraglich.

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