Der türkische Angriff hat begonnen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan macht ernst und lässt seine Truppen in Nord-Syrien einfallen. Die Reaktionen aus Europa sind lauwarm und nutzlos. Wieder einmal schauen wir nur zu.

Die Türkei hat ihre Truppen nach Syrien einfallen lassen, trotz aller Proteste. Foto: Sınıra Askeri Araç Sevkiyatı Devam Ediyor / VOA Türkçe / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Es ist passiert – die Türkei hat den Norden Syriens angegriffen und ist mit Truppen einmarschiert. Die Kurden im Norden Syriens, zuverlässigster Partner des Westens beim (militärisch erfolgreichen) Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS), werden der Türkei geopfert – eine seltsame Art und Weise, den Kurden dafür zu danken, dass sie unter hohen Verlusten den Siegeszug des barbarischen IS gestoppt haben. Und somit beginnt der Krieg in Syrien erneut, angeblich, weil Erdogan im Norden Syriens eine „Sicherheitszone“ einrichten will, um die vielen in der Türkei befindlichen syrischen Flüchtlinge dorthin abzuschieben.

Nur – dadurch, dass der Krieg in Syrien wieder aufflackern wird, dadurch, dass sowohl Putin als auch Al-Assad auf den Einmarsch der Türkei reagieren werden, entsteht ein neuer Flüchtlingsstrom – und die Spirale der Gewalt dreht sich weiter. Die Hilfslosigkeit Europas, aber auch des Rests der Welt gegenüber den Brandstiftern unserer Zeit ist erschreckend. Was nützt es, wenn die französische Regierung den türkischen Einmarsch in Syrien „auf das Schärfste verurteilt“, was nützt es, dass die deutsche Regierung Ankara „vor ernsthaften Konsequenzen“ warnt – auch Erdogan weiß, dass sich die EU nie zu einstimmigen Reaktionen auf sein Handeln entschließen wird, und genau deshalb kann er schalten und walten, wie er will.

Recep Tayyip Erdogan führt einen erbarmungslosen Krieg gegen die Kurden und natürlich denkt man an den türkischen Völkermord an den Armeniern. Die EU muss verrückt geworden sein, diesen Diktator und Warlord weiterhin zu hofieren und zu finanzieren, statt ihn politisch und wirtschaftlich zu isolieren. Und man erinnert sich an türkische Giftgas-Angriffe auf kurdische Dörfer, an Massaker und das Wegschauen des Rests der Welt.

Nachdem Donald Trump den Weg für den türkischen Einmarsch freigemacht hatte, indem er seine an der syrisch-türkischen Grenze stationierten Soldaten (die zwar nicht sehr zahlreich waren, aber ein deutliches Signal darstellten, dass die Kurden unter dem Schutz der USA stehen) abzog, klangen auch seine vollmundigen Drohungen, was er alles mit der türkischen Wirtschaft anstellen wolle, wenn sich die Türkei bei ihrem militärischen Überfall auf Nordsyrien nicht anständig verhalte, wie Hohn. Per Definition verhalten sich Angriffstruppen bei einem Einmarsch niemals „anständig“, sie kommen, um zu töten, zu vergewaltigen, zu zerstören.

Der Verrat des Westens an den Kurden wird keinesfalls zu einer Beruhigung der Lage in der Region beitragen, sondern vor allem das Elend in einem von Krieg und Bürgerkrieg zerstörten Syrien verschlimmern. Von den 22 Millionen Syrern sind 11 Millionen auf der Flucht und was glaubt der Westen, was bei diesem neuerlichen Ausbruch des Kriegs geschehen wird? Dass es weniger Flüchtlinge geben wird? Dass sich die Syrer dieses Mal brav daheim umbringen lassen, um uns ja nicht beim Mittagessen zu stören?

Die Diktatoren dieser Welt können ungehindert tun und lassen, was sie wollen. Die Verrücktheit und der Hass sind zur Normalität geworden, Menschenleben und persönliche Schicksale interessieren nicht mehr. Warum eigentlich fehlt unseren Verantwortlichen der Mut, sich mit allem den Kriegstreibern in den Weg zu stellen? Ist das unsere Realpolitik? Dann haben wir auch alles verdient, was sich daraus noch entwickeln wird – und jede Wette, schön wird das nicht werden.

1 Kommentar zu Der türkische Angriff hat begonnen

  1. Jacques Holzscherer // 11. Oktober 2019 um 3:24 // Antworten

    Leider eine traurige Realität ! Viele Menschen sind in Elend und Not, ständig auf der Flucht. Die mutigen Kurden sind verraten worden. Es ist eine sehr traurige Welt mit Krieg, Diktatoren, Religionsverrückte, unsw. Ich bin sehr pessimistisch !

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