Der Vogel-Strauß-Sommer

Jetzt steht der Sommer an. Urlaub, Hitzewelle und unbeschwerte Wochen. Aber so unbeschwert ist das alles nicht – denn es rückt ein heftiger Herbst heran, den niemand wahrhaben möchte.

Die stecken den Kopf gar nicht in den Sand. Und das sollten wir auch nicht tun. Foto: Ron Clausen / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Niemand will momentan etwas vom Herbst hören, denn der Sommer kommt mit Sonne, hohen Temperaturen und Urlaubszeit. Doch die entspannten Sommerwochen werfen bereits jetzt einen langen Schatten. Die Weltprobleme können wir vielleicht ein paar Wochen lang verdrängen, doch dann kommt das dicke Ende. Frage: Wie bereitet man sich auf die Krisen des nächsten Herbsts und Winters vor?

Wird uns die Pandemie überhaupt noch Zeit bis zum Herbst lassen? Die Zahlen der „7. Welle“ der Pandemie explodieren überall in Europa und die Regierungen bereiten bereits Maßnahmen-Kataloge für den Herbst vor. Doch herrscht das allgemeine Gefühl vor, die Pandemie wäre doch so gut wie ausgestanden, Gesichtsmasken werden nur noch dort getragen, wo es zwingend vorgeschrieben ist und selbst die aktuellen Inzidenzen muss man suchen, da sie nicht mehr prominent veröffentlicht werden.

Ähnlich verhält es sich mit dem Ukraine-Krieg. Die täglichen Lageberichte von der Front nimmt man nur noch am Rande wahr, die Sanktionen auch, doch das, was man sieht, sind erste Lücken in den Regalen der Supermärkte. Was man liest, sind Ankündigungen eines kalten Winters. Aber wen kümmert schon die Perspektive eines kalten Winters, wenn man auf einer Terrasse bei 30 Grad sitzt? Noch sind all diese Perspektiven theoretischer Natur und daher nimmt man sie nur am Rande wahr. Man steckt lieber den Kopf in den Sand, idealerweise an einem hübschen Strand.

Doch diese Vogel-Strauß-Taktik wird lediglich dafür sorgen, dass uns die geballten Probleme im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und der Pandemie im Herbst volle Breitseite treffen werden. Wenn der Urlaub vorbei ist, werden wir vor sozialen Spannungen stehen, die weitaus schärfer als in der Vergangenheit sein werden, denn die Inflation und andere Probleme werden natürlich als erstes die sozial schwächsten Mitglieder der Gesellschaft treffen.

Doch vielleicht kommen die nächsten „Wellen“ der Pandemie zum richtigen Zeitpunkt für unsere Regierungen. Bevor das soziale Pulverfass im Herbst explodiert, ist es durchaus denkbar, dass die Pandemie den Vorwand liefert, um die sozialen Proteste im Keim zu ersticken – es würde reichen, wieder Versammlungsverbote und/oder Ausgangssperren zu verhängen, um Massendemonstrationen weitgehen zu verhindern.

Ganze Lockdowns werden wir wohl nicht mehr bekommen, denn die Kosten dafûr sind einfach zu hoch. Doch wird man sich mental darauf vorbereiten müssen, dass wir moment lediglich eine Zwischenphase erleben, in der wir ein wenig durchatmen können, bevor die ganze Geschichte wieder losgeht.

Hoffen wir, dass die Mächtigen der Welt in dieser Sommerpause ein wenig zur Vernunft kommen und nicht alles daran setzen, im Herbst die Konfrontation mit den eigenen Bevölkerungen zu suchen, wie sie es in den letzten drei Jahren getan haben. Bis dahin, genießen wir den Sommer…

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