Der Weg zu einer geeinten Region am Oberrhein ist noch weit

Bei der grenzüberschreitenden „Bürgerkonferenz“ in Kehl gab es einen regen Austausch, doch wurden auch die „unsichtbaren Grenzen“ deutlich.

Bei der grenzüberschreitenden "Bürgerkonferenz" in Kehl diskutierten Politiker, Experten und Jugendliche in einem offenen Format. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Peter Cleiß, Leiter der Beruflichen Schulen und Gastgeber der „grenzüberschreitenden Bürgerkonferenz“ im Rahmen der Reihe „Ouvrons-la – Maul auf!“ sagte den wichtigsten Satz am Ende der sehr gut besuchten Konferenz in Kehl: „Wäre auf der anderen Rheinseite nicht Straßburg, sondern Köln, dann wärt Ihr jeden Tag drüben…“ Doch so kamen bei der Diskussion um den Zugang Jugendlicher zum Arbeitmarkt vor allem Sorgen, Befürchtungen und Ängste ans Tageslicht. An denen man jetzt konkret arbeiten sollte.

Gut besucht war sie, diese „Bürgerkonferenz“, was beweist, dass die deutsch-französische Sache ein Thema ist, das die Menschen beschäftigt. Gekommen waren ungefähr 150 Jugendliche und zahlreiche hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft – der Dialog mit der Jugend scheint allen Säulen der Gesellschaft ein echtes Anliegen zu sein. Doch auch, wenn man immer wieder gerne darauf hinweist, dass es keine Grenzen mehr zwischen Deutschland und Frankreich gibt, stellt man fest, dass es diese Grenze sehr wohl noch gibt und nein, sie ist nicht nur sprachlicher Natur.

Klar, die Sprache des Nachbarn ist immer noch ein Thema, sogar ein Thema, das uns noch lange begleiten wird. Doch, wie ein Teilnehmer richtig sagte, wenn man sich verständigen will, dann kann man sich auch verständigen. Es hapert allerdings vor allem am Frankreichbild, das bei vielen deutschen Jugendlichen noch im Kopf feststeckt. In Straßburg sei es gefährlich, meinten die einen, und die Elsässer würden sich keine Mühe geben, die deutsche Sprache gegenüber Deutschen systematisch anzuwenden. Doch diese Vorwürfe wurden auch gleich von an deren Teilnehmern gekontert. Dennoch zeigte diese Debatte, bei der es am Ende mehr um interkulturelle Befindlichkeiten als den Arbeitsmarkt ging, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, bevor die deutsch-französische Integration am Oberrhein klappen kann.

Gefordert sind, das wurde bei der Debatte deutlich, alle Kräfte der Gesellschaft. Schulen, Familie, Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Medien – einfach alle. Was die Geschichte allerdings auch schwierig macht, denn nach wie vor ist jeder überzeugt, dass er richtig handelt und die anderen Säulen der Gesellschaft schnellere Fortschritte im deutsch-französischen Zusammenwachsen am Oberrhein schwierig machen. Doch wenn sich alle gegenseitig nur den Schwarzen Peter zuschieben, dann passiert auch künftig nicht mehr.

War die Konferenz also frustrierend? Nein, sicher nicht! Im Gegenteil – diese von der Stadt Straßburg initiierte Reihe von Bürgerkonferenzen zeigte, dass es ein echtes Interesse an dieser Art offenem Dialog gibt. Sowohl auf Seiten der Jugendlichen (die Teilnahme in der Mittagspause von 12:30 Uhr bis 14:15 Uhr war freiwillig!), als auch auf Seiten der Offiziellen, die jeweils ihre erste Reihe mobilisiert hatten. So waren nicht nur die OBs von Straßburg und Kehl Roland Ries und Toni Vetrano anwesend, sondern auch der Chef der Agentur für Arbeit aus Offenburg Horst Sahrbacher, mehrere beigeordnete Bürgermeister, hohe Vertreter der Wirtschaft, der Schulämter, von privaten Organisationen aus dem deutsch-französischen Bereich. Und auch, wenn man nicht erwarten konnte, dass die deutsch-französische Annäherung bei einer einzigen Veranstaltung geregelt werden kann, so bleibt die Feststellung, dass alle Seiten offenbar ein großes Interesse an dieser Art des offenen Dialogs haben.

Die Reihe von „Bürgerkonferenzen“ ist das vielleicht interessanteste Dialogformat, das in den letzten Jahren in der Region lanciert wurde. Es ist so interessant und wichtig, dass es gut wäre, würden solche Formate häufiger oder idealerweise regelmäßig stattfinden. Denn nur, wenn die Menschen miteinander reden, können sie lernen, dass man keine Angst vor dem Anderen haben muss – und das ist die Voraussetzung, dass alle anderen Dinge zwischen Frankreich und Deutschland funktionieren. Roland Ries hat, und das verdient große Anerkennung, den Anstoß gegeben – nun sollten Organisationen wie der Eurodistrikt oder auch die Metropolregion Oberrhein (TMO) anknüpfen und an dieser Stelle weiterarbeiten. Miteinander zu reden und sich zu verstehen lernen wird sich auf jeden Fall lohnen.

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