Der Weihnachtsstreik

In Frankreich fällt dieses Jahr für viele Weihnachten einfach aus – der Streik der Eisenbahner geht weiter. Und auch für die Daheimgebliebenen ist streiktechnisch gesorgt...

Streik - Zugausfälle, Zugausfälle und Zugausfälle, so sieht in Frankreich der Weihnachtsfahrplan aus... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Alles begann im November 2018, als die „Gelbwesten“ begannen, Frankreich jedes Wochenende lahmzulegen und dabei die Innenstädte verwüsteten. Die Intensität dieser Auseinandersetzungen hatte auch damit zu tun, wie unfähig die Regierung auf diese sozialen Proteste reagierte – da traf Pest auf Cholera. Und das geht bis heute weiter, nur, dass jetzt eben auch die Massenproteste gegen die geplante Rentenreform dazukommt. Das Timing der Ankündigung dieser Reform war von der Regierung im Vertrauen darauf gewählt, dass sich die zu erwartende Streik- und Protestwelle in der Weihnachtszeit verläuft. Doch daraus wird nichts – auch über Weihnachten geht der Eisenbahnerstreik weiter. Millionen Franzosen werden dieses Jahr ihre entfernt lebenden Verwandten nicht zu Gesicht bekommen.

Wie immer trifft der Streik die Falschen, wie immer werden diejenigen, die diesen Streik zu verantworten haben, über die Weihnachtstage von ihren Dienst-Limousinen mit Fahrer sicher ans Ziel gebracht werden. So ist es halt mit Streiks, damit sie Wirkung zeigen, müssen sie wehtun. Aber so wehtun, dass Millionen Franzosen das Weihnachtsfest ohne ihre Lieben verbringen müssen?

Die Staatsbahn SNCF handelt sich von einer Schreckensnachricht zur nächsten. So wurde vorgestern verkündet, dass 6000 allein reisende Kinder nicht den entsprechenden Begleitservice der Bahn nutzen können, da dieser gestrichen wird, um anderen Reisenden einen Platz in den wenigen verkehrenden Zügen zu sichern. Kinder, die zu Weihnachten nicht zu ihren Verwandten kommen, weil Eisenbahner für die Beibehaltung ihrer anachronistischen Privilegien streiken? Das klingt nicht gut… Bei all denjenigen, die optimistisch ein Zugticket für die Weihnachtszeit reserviert haben, klingeln gerade die SMS auf dem Handy, in denen die SNCF bedauernd mitteilt, dass die gebuchte Reise leider aufgrund des Streiks ausfällt. Aber man ist bei der SNCF großzügig und bietet den frustrierten Reisenden an, ihre Tickets ohne (!) Umbuchungsgebühr auf einen anderen Zeitraum umzubuchen oder sie gar erstatten zu lassen. Das ist schon fast Weihnachten vor Weihnachten…

Die Millionen Reisenden, die nicht reisen können, also die Daheimgebliebenen, gehen bei dem Streik allerdings auch nicht leer aus. Damit die Weihnachtszeit auch daheim möglichst stressig wird, haben die Nahverkehrsbetriebe in etlichen Städten, so auch in Straßburg, einen Streik ab dem 23. Dezember angekündigt. So wird dann auch der Besuch der in der gleichen Stadt lebenden Verwandten und Freunde erschwert. Prima, sonst hätte ja auch kaum jemand mitbekommen, dass das Land in Aufruhr ist.

Die Situation ist von beiden Seiten völlig festgefahren. Die Regierung hat sich verpokert, als die dachte, dass sich die sozialen Unruhen während des Weihnachtsfests von selbst erledigen und die Streikenden glauben vermutlich, dass die Millionen Franzosen, denen sie gerade die Feiertage versauen, darüber glücklich sind. Dass eine der beiden Seiten jetzt noch eine große Geste macht, damit ist nicht zu rechnen, denn wer wochenlang die Muskeln spielen lässt, der tut sich schwer, wieder sein T-Shirt ohne Gesichtsverlust anzuziehen.

Und so taumelt jetzt ganz Frankreich in die Feiertage hinein, an denen es für viele nichts zu feiern gibt. Die sich dabei immer mehr aufstauende Wut wird sich irgendwann Luft machen – und was dann auf Frankreich zukommt, dürfte noch weniger schön werden als die kommenden Feiertage.

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