Der Westentaschen-Macron
Die mit Spannung erwartete Regierungserklärung des neuen Premierministers Frankreichs, Gabriel Attal, war ein ziemlicher Schlag ins Wasser. Geradezu beunruhigend.
(KL) – Da war sie wieder, die Handschrift seines Chefs Emmanuel Macron und Gabriel Attal, sein neuer „Regierungschef“ ist ein gelehriger Schüler. Öffentliche Reden, so der neue Stil der „Macronie“, das bedeutet lange und sehr lange Ansprachen, und was der Journalist Alain Duhamel vor der kürzlichen „XXL-Pressekonferenz“ von Emmanuel Macron bereits gesagt hatte, bestätigte sich auch bei der Regierungserklärung von Gabriel Attal: „Je länger er redet, desto weniger hat er zu sagen“. Wie gut seine Regierungserklärung von 80 Minuten war, zeigten die Bauern, die gerade halb Frankreich blockieren – sie erklärten, dass die Blockaden aufrecht erhalten werden und man vielleicht weiter versuchen wird, bis Paris vorzudringen. Befriedung gescheitert.
Der erste Teil der Regierungserklärung bestand aus Platitüden der flacheren Art („Frankreich ist und bleibt groß“), vermischt mit schwammigen Ankündigungen („da machen wir uns schnellstmöglich daran“) und großflächigen Seitenhieben auf die Opposition, gesprenkelt mit einer satten Portion Selbstbeweihräucherung. Diese „Regierungserklärung“, seit langem angekündigt und deshalb auch erwartet, wurde in Frankreich als „die mündliche Prüfung“ für Attal bezeichnet und – mit seiner Rede ist der junge Mann durchgefallen. Als Bewerbung für die Präsidentschaftswahl 2027, bei der Amtsinhaber Macron, der selbst nicht noch einmal antreten darf, gerne seinen „Kronprinzen“ in den Elysee-Palast hieven würde, reichte das nicht, denn die Franzosen merkten gestern, dass sie dann nur eine einfach Kopie des inzwischen bei den Franzosen äußerst unbeliebten Macron erhalten würden.
Eigentlich war von dieser „Regierungserklärung“ erwartet worden, dass weitere Zusagen an die demonstrierenden Bauern gemacht werden, um deren immer massivere Protestbewegung zu stoppen – doch das, was da vollmundig angekündet wurde, reichte eben einfach nicht aus. Dass Präsident Macron sich beim Europagipfel diese Woche dafür einsetzen will, dass das Freihandelsabkommen Mercosur nicht unterzeichnet wird und dass er sich ebenfalls dafür einsetzen will, dass das für die Bauern ärgerliche Thema der Brachflächen (die eine Voraussetzung dafür sind, dass Subventionen aus Brüssel fliessen) gelöst wird, das reicht eben auch nicht, denn es ist völlig unklar, wie dieser „Einsatz“ aussehen wird und dazu ist fraglich, ob die 27 tatsächlich bereit sind, Frankreichs interne Probleme anstelle dieses Präsidenten und seines Premierministers zu lösen.
Auch die Ankündigung, dass künftig das Gesetz kontrolliert werden soll, nachdem die großen Handelsketten den Bauern faire Preise zu zahlen haben, ist nicht richtig überzeugend, denn diese großen Handelsketten gehören auch zu den Unternehmensgruppen, die den Aufstieg der „Macronie“ massiv unterstützt hatten. Ob nun die „Macronie“ massiv gegen ihre Unterstützer vorgehen wird?
Was immer diese Regierung nun als nächstes ankündigen wird, so muss sie den sozialen Frieden auf Pump finanzieren – Frankreich ist inzwischen das am drittstärkste verschuldete Land Europas, wobei die Schuldenquote satte 111 % des BIP erreicht hat. Das allerdings hält weder Macron noch Attal davon ab, immer wieder zu wiederholen, wie toll sie Frankreich regieren und dass es den Franzosen besser geht als je zuvor. Schade, dass die Franzosen davon nicht viel mitbekommen.
Konkret wurde Attal dann doch noch, als es nämlich um Zucht und Ordnung ging. So will er “Boot Camps” für Jugendliche unter 16 Jahren einführen und die europaweit erfolgloseste Drogenpolitik weiter verschärfen. Die Hoffnung, dass er damit 2027 ein paar Stimmen von ganz weit rechts einsammeln kann, dürfte sich damit allerdings nicht bewahrheiten, denn 2027 werden die Franzosen rechtsextrem wählen, weil sie die “Macronie” und deren Arroganz endgültig satt haben.
Wer dachte, dass sich mit der Ernennung des jungschen Gabriel Attal etwas in Frankreich ändern würde, sah sich gestern enttäuscht. Die „Macronie“ bleibt die „Macronie“ und einige Kommentatoren meinten gestern, dass Attals Rede wohl von Macron selbst geschrieben worden sei. Und während die protestierenden Bauern die Fortführung ihrer Aktionen vorbereiten, stellt sich immer drängender die Frage, wie dieses Frankreich in wenigen Monaten Olympische Spiele organisieren und die ganze Welt in Paris begrüßen will. Denn diese Olympischen Spiele sind den Franzosen, die ohnehin außen vor bleiben müssen, ziemlich egal. Nur nicht dem Präsidenten, der sich gerne ein Denkmal setzen würde. Ob ihm das die aufgebrachten Franzosen so erlauben werden, wie er sich das wünscht, wird man im Sommer sehen.
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