Deswegen funktioniert die „Macronie“ nicht richtig

Die Regierung von Emmanuel Macron ist bislang eine Geschichte von unglaublichen Fehlbesetzungen. Dadurch, dass diese Fehlbesetzungen nicht korrigiert werden, wird der Graben zwischen Bevölkerung und Regierung immer tiefer.

Dadurch, dass die französische Regierung an so seltsamen Figuren wie Jean-Paul Delevoye festhält, verliert sie jedes Vertrauen in der Bevölkerung. Foto: SmartGov / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Der Mann heißt Jean-Paul Delevoye und hätte vermutlich in jedem halbwegs zivilisierten Land schon längst seinen Posten räumen müssen. Der „Hochkommissar für das Rentenwesen“ und Autor des Berichts, auf dem die geplante Rentenreform basiert, die gerade halb Frankreich auf die Straße treibt, ist ein Paradebeispiel für die „Macronie“, eine Mischung aus Interessenskonflikten, Halbwahrheiten, Lobbynähe und einer schier unglaublichen Arroganz. Genau das, was Präsident Emmanuel Macron und sein Premierminister Edouard Philippe schätzen. Und deswegen ist der Mann noch im Amt.

In Frankreich müssen gewählte Volksvertreter, Spitzenbeamte und Minister eine Erklärung beim „Hochkommissariat für die Transparenz des öffentlichen Lebens“ (HATVP) einreichen, in der sie darlegen müssen, welchen bezahlten und ehrenamtlichen Tätigkeiten sie nachgehen und nachgegangen sind. Ziel dieser Übung ist es, Interessenskonflikte auszuschließen, die sich aus solchen Aktivitäten ergeben können. Jean-Paul Delevoye hat in seiner Erklärung 3 solcher Aktivitäten mit ein wenig Aufwandsentschädigung angegeben. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es sich um nicht weniger als 13 solcher „Nebenjobs“ handelt, die zum Teil deutlich höher dotiert waren, als das, was er angegeben hatte. „Hab ich vergessen“, lautet die wenig überzeugende Erklärung des Hochkommissars.

Pikanterweise stehen viele seiner „Nebenjobs“ in direktem Zusammenhang mit der französischen Versicherungswirtschaft und überraschenderweise basiert ein Teil der von Delevoye empfohlenen Rentenreform auf der privaten Vorsorge durch Versicherungen, ein wenig wie bei Walter Riester. Seine „Nebenjobs“ in der Versicherungswirtschaft haben natürlich keinerlei Einfluss auf seine Empfehlungen gehabt, ganz bestimmt nicht. Daran kann sich Delevoye noch erinnern. Großes Pfadfinder-Ehrenwort.

Auch das Argument, dass zahlreiche dieser Posten „ehrenamtlich“ waren, ist ein schlechter Witz. In den Pariser Salons geht es nicht immer nur um gut gefüllte Umschläge, sondern auch um „Netzwerke“, die zum gegebenen Zeitpunkt deutlich wertvoller als ein Geldumschlag sein können. Insofern ist auch ein solches unterschlagenes „Ehrenamt“ schon im Dunstkreis der Lobbyarbeit anzusiedeln.

Und wie regiert die „Macronie“ auf diesen Skandal? Genau so wie in vielen anderen Affären, wie beispielsweise der Affäre um den früheren Leibwächter des Präsidenten, Alexander Benalla. Trotz aller strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen Benalla hatte dieser weiter Zugang zum Elysee-Palast und Sonderprivilegien und der Skandal wurde ausgesessen. Bis heute hat Benalla nicht vor Gericht gestanden und es ist klar, dass weiterhin eine schützende Hand über ihm schwebt, die ihm Unannehmlichkeiten mit der Justiz vom Hals hält. Was Jean-Paul Delevoye angeht, der 10 seiner 13 „Nebenjobs“ und die wahre Höhe der Vergütungen unterschlagen hat, so genießt dieser das volle Vertrauen des Premierministers Edouard Philippe, der in einem Interview erklärte, „die Aufrichtigkeit von Jean-Paul Delevoye ist total“. Na dann.

Die „Aufrichtigkeit“ des politischen Karrieristen Jean-Paul Delevoye, der Bürgermeister, Abgeordneter, Senator, Minister, Präsident des Sozialrats CESER, Vorsitzender des französischen Städtetags, Mediator der Republik und so einiges andere mehr war, ist geradezu ein Symbol für den Sumpf, in dem Frankreichs Politik steckt. In einem Land, in dem der frühere Minister François Bayrou nach der kürzlich gegen ihn erhobenen Anklage wegen Scheinanstellungen von Assistenten höhnisch vor der Presse erklärte, dass es „wohl kaum einen Politiker gäbe, gegen den nicht schon Anklage erhoben wurde“, in einem Politiksystem, in dem Vorteilsnahme und Korruption offenbar zum „guten Ton“ gehören, ist wohl auch ein Jean-Paul Delevoye für die Regierung tragbar. Nur, was Präsident Emmanuel Macron völlig übersieht, ist dass die Franzosen von diesem Sumpf die Nase voll haben. Er wurde gewählt, weil er versprochen hatte, diesen Augiasstall auszumisten und eine „neue Welt“ zu schaffen und heute stellen die Franzosen fest, dass es unter Macron nur noch schlimmer geworden ist.

Dass dieser Skandal ans Tageslicht gekommen ist, ist schon schlimm genug. Dass die Regierung trotzdem an diesem untragbaren Politiker festhält, gehört zu den Gründen, warum die Franzosen nach nur zweieinhalb Jahren keinerlei Vertrauen mehr in diese „Regierung der Reichen“ haben. Die Quittung für diese Fortführung und Vertiefung des Sumpfs der V. Republik wird Emmanuel Macron bei den Kommunalwahlen im März erhalten. In vielen großen Städten geht der Stern der LREM-Kandidaten gerade schon unter, bevor er richtig aufgegangen ist. Die Unterstützung durch die Präsidentenpartei ist inzwischen für die Kandidaten und Kandidatinnen eher eine Belastung als ein Bonus.

Die „Macronie“ scheint in genau dem Sumpf zu versinken, den sie trockenlegen wollte.

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