Deutsch-französischer Wahlkampf auf den letzten Drücker
Der Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Deutschland kann kaum über die Sprachlosigkeit zwischen beiden Ländern hinwegtäuschen.

(KL) – 24 lange Jahre ist es her, dass ein französischer Präsident offiziell Deutschland besuchte, was bereits ein Hinweis darauf ist, wie es tatsächlich um die deutsch-französischen Beziehungen bestellt ist. Dass in Berlin die Begrüßung Emmanuel Macrons durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sehr herzlich ausfiel, ist wenig verwunderlich – aufgrund der völlig verschiedenen Aufgaben eines französischen und eines deutschen Präsidenten müssen die beiden auch nicht zusammenarbeiten und haben dementsprechend auch keine echten Reibungspunkte. Dazu kommt, dass Frank-Walter Steinmeier ein eher jovialer Präsident ist, der den schönen Dingen des Lebens zugetan ist, während der spröde Olaf Scholz, mit dem Macron zusammenarbeiten muss, einfach keinen Draht zum „Showman“ Macron findet. Trotz aller Beteuerungen, wie gut ihr Verhältnis doch sei.
Nun muss man ehrlicherweise sagen, dass dieser Macron-Besuch sowohl ihm selbst, als auch Olaf Scholz nützt. Denn knappe zwei Wochen vor der Europawahl zeigt sich in den Umfragen die wohl größte Gemeinsamkeit zwischen den beiden – sie haben beide das Vertrauen ihrer jeweiligen Wählerschaft verloren und müssen nun alles daransetzen, ein Wahldesaster am 9. Juni zu vermeiden. In den aktuellen Umfragen liegt die SPD von Olaf Scholz bei 14 %, Macrons Liste „Renaissance“ auch nur bei 16 %. Im Klartexte bedeutet das, dass beide Regierungsparteien mit einer herben Niederlage rechnen müssen, die dieser Besuch ein wenig abfedern soll, indem er beiden die Möglichkeit bietet, sich als „große Europäer“ darzustellen.
Für diese „Europa-Show“ ist jedes Mittel Recht. Macron imitierte in Dresden General De Gaulle und dessen berühmte „Rede an die deutsche Jugend“ 1962, wobei ihm allerdings die Glaubwürdigkeit des Generals fehlte. Auch die zum wiederholten Male ausgesprochene Warnung Macrons, dass Europa auseinanderbrechen könnte, ist kein so echter „Game Changer“, denn Europa droht nicht von alleine auseinanderzubrechen, sondern deshalb, weil in den letzten Jahren von den handelnden Akteuren eine leider unzureichende Europapolitik geführt wurde.
Auch der gemeinsam von Macron und Scholz vorgetragene Vorschlag, für bestimmte Bereiche das unsägliche Prinzip der Einstimmigkeit aufzulösen, das nach wie vor die Europäische Union in vielen wichtigen Fragen lähmt, ist keine Sensation, denn dieser Vorschlag wird vor jeder Europawahl gemacht und da bereits die Abschaffung der Einstimmigkeit der Einstimmigkeit bedarf, ist klar, dass diese nicht erreicht werden wird, da insbesondere die „Visegrad-Staaten“ sicher nicht der Abschaffung des Instruments zustimmen werden, mit dem sie die EU seit Jahren am Nasenring durch die Manege führen, allen voran Ungarns Regierungschef Viktor Orban, der Russland näher steht als der EU. Insofern ist dieser Vorschlag von Emmanuel Macron und Olaf Scholz eher für die Galerie bestimmt, wird aber sicher keine Wähler mobilisieren, deswegen für die Listen der beiden zu stimmen.
Für Frank-Walter Steinmeier war es da schon leichter, schöne Sätze wie „Das Herz der Menschen in Deutschland schlägt für die deutsch-französische Freundschaft“ zu sagen, ein Satz, der sicherlich stimmt, aber auf der politischen Ebene mit recht wenig Inhalt gefüllt wird.
Wie ernst es die beiden „großen Europäer“ mit Europa wirklich meinen, erkennt man bereits an der Berufung ihrer jeweiligen Spitzenkandidatinnen. Für die SPD geht die frühere Ministerin Katharina Barley ins Rennen, die nach dem Ende ihrer Ministerkarriere noch ein warmes Plätzchen im Europäischen Parlament gefunden hatte, während die Macron-Partei die unbekannte und farblose Valérie Heyer nominierte, die bislang im Wahlkampf so ungeschickt wirkt, dass ihr mittlerweile bei vielen Auftritten Premierminister Gabriel Attal zur Seite gestellt wird, damit ihre Kandidatur nicht allzu desaströs endet. Immerhin hätten beide, die SPD und „Renaissance“, auch die Möglichkeit gehabt, für diese Europawahl ihr Spitzenpersonal in die Wagschale zu werfen, doch das haben beide nicht getan.
Auch das Timing dieses Macron-Besuchs deutet klar darauf hin, dass es eher um den Wahlkampf zur Europawahl als um die deutsch-französische Freundschaft geht. Natürlich freut man sich immer über den Besuch eines französischen Präsidenten in Deutschland, doch wenn man bedenkt, dass der letzte französische Präsident, der nach Deutschland reiste, Jacques Chirac war, den die Jüngeren wohl nur noch vom Hörensagen kennen, dann muss man feststellen, dass es mit der so gerne beschworenen deutsch-französischen Freundschaft auf politischer Ebene wohl nicht so toll bestellt ist. Denn an der geografischen Entfernung zwischen beiden Ländern kann es eigentlich nicht liegen, dass sich die Staatsoberhäupter so selten treffen.
Aber sei’s drum, Emmanuel und Brigitte Macron hatten einen netten Aufenthalt, besuchten Veranstaltungen und das Holocaust-Denkmal in Berlin, trafen Angela Merkel, reisten ein wenig durch’s Land, hatten ihre Pressetermine – und werden am 9. Juni dennoch erfahren, was ihre jeweiligen Bevölkerungen von ihrem europäischen Engagement halten. Und daran wird auch dieser Besuch nicht viel ändern können.
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