Deutschland, dein Widerstand…

Am 20. Juli 1944 scheiterte das Attentat auf Hitler und damit auch die Operation „Walküre“. Der Putschversuch hoher Militärs war ins Leere gelaufen.

Dass Hitler das Attentat vom 20. Juli 1944 überlebte, grenzte an ein Wunder. Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1970-097-76 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Die Stauffenberg-Gruppe, deren Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 auf der Wolfsschanze gescheitert war, gehört zu den vornehmsten Beispielen des deutschen Widerstands gegen Hitler und das Nazi-Regime. Doch gibt es einige, wenige andere Widerständler wie die Geschwister Scholl oder Georg Elser, doch gedenkt man in Deutschland vor allem der Gruppe, die am 20. Juli 1944 einen „echten“ Umsturzversuch unternommen hatte, den die meisten Mitglieder der Gruppe mit dem Leben bezahlten.

Was man in der historischen Betrachtung der Ereignisse des 20. Juli 1944 gerne vergisst, ist die Tatsache, dass die hohen Militärs, die diese Gruppe bildeten, zuvor fünf Jahre lang den Krieg Hitlers mitgetragen und unterstützt hatten. Lediglich die Erkenntnis, dass der Krieg definitiv verloren sei, motivierte die Stauffenberg-Gruppe zum Handeln. Hätte Hitler-Deutschland 1944 militärisch besser dagestanden, ist fraglich, ob es überhaupt zu diesem Attentat gekommen wäre.

Es ging der Stauffenberg-Gruppe um mehrere Dinge. Zum einen wollte man den bereits verlorenen Krieg beenden und damit Hunderttausende Menschenleben retten, dazu plante man einen Separat-Frieden mit England und den westlichen Alliierten und dazu wollte man ein Nachkriegs-Deutschland unter Führung des Militärs organisieren. Doch lief bei diesem Attentat fast alles schief, was schief laufen konnte.

Claus Graf von Stauffenberg konnte nur eine von zwei Sprengladungen in seiner Aktentasche aktivieren, so dass die Explosion im Konferenzraum der Wolfsschanze zwar detonierte und sogar einige hohe Offiziere tötete, doch Hitler selbst bekam nur ein paar Schrammen ab. Hätte Stauffenberg beide Sprengladungen aktiviert, hätte wohl niemand in dem Raum überlebt. Dazu, auch das muss man festhalten, versuchten viele der Offiziere der Stauffenberg-Gruppe, sich bis zuletzt alle Optionen offen zu halten. Das erklärt auch, warum die Gruppe in Berlin stundenlang zögerte, statt die Übernahme der Macht in Berlin konkret anzugehen. Als dann die Nachricht eintraf, dass Hitler das Attentat überlebt hatte, distanzierten sich sofort viele der Offiziere, die nur halbherzig an der Verschwörung teilgenommen hatten.

Der Versuch, den Diktator zu ermorden, um viele Menschenleben zu retten, ist aller Ehren wert und deshalb ist es auch richtig, dass man sich an dieses Datum erinnert. Alleine der Umstand, dass die Attentäter zuvor fünf Jahre lang treu und engagiert Hitlers Politik und Angriffskriege an wichtiger Stelle mitgetragen hatten, hinterlässt einen leicht faden Beigeschmack.

Auch, wenn man das nicht gerne hört, so ist die Geschichte des deutschen Widerstands schnell erzählt – es gab ihn praktisch nicht. Zwar halfen viele Bürgerinnen und Bürger dabei, ihre jüdischen Nachbarn zu verstecken (alleine in Berlin überlebten 7.000 Juden die Nazizeit in Verstecken und dank existierender Solidaritätsketten), doch war der Prozentsatz derjenigen, die Menschenleben retteten, verschwindend gering im Vergleich mit denjenigen, die Juden und Regimegegner denunzierten. Auch der „innere Widerstand“, von dem nach dem Krieg gerne gesprochen wurde, äußerte sich nirgends und ist daher wenig glaubwürdig.

Leider ist das Thema heute aktueller als in den letzten 80 Jahren. Erneut steht die Welt vor der Frage, ob Diktatoren umgebracht werden sollten, um damit zahlreiche Menschenleben zu retten. Und erneut hat die Welt keine richtige Antwort auf diese Frage. Sollte man Putin durch ein Sniper-Kommando ermorden lassen? Sollte man die Diktatoren dieser Welt, die unzählige Menschenleben auf dem Gewissen haben, umbringen? Ist das moralisch gerechtfertigt?

Erneut steht die Welt vor entscheidenden Fragen. Ob es dieses Mal wieder fünf Jahre dauern wird, bis eine Handvoll Offiziere den Mut aufbringt, den Despoten töten zu wollen? Die nächsten Monate werden es zeigen, doch deutet nichts darauf hin, dass die Welt im Jahr 2022 auch nur ein wenig schlauer wäre als 1939 oder auch 1914.

Heute gedenken wir der Attentäter vom 20. Juli 1944, die den bereits damals verlorenen Krieg beenden wollten. 2022 will niemand den Krieg beenden und so lange keine der beiden Seiten auf der endgültigen Verliererstraße ist, werden Töten, Zerstörung, Vergewaltigungen weitergehen. Gelernt haben wir nichts aus der Geschichte, weswegen am Ende selbst das Opfer der Stauffenberg-Gruppe nichts gebracht hat. Und das ist wirklich schade.

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