Deutschland: Der Bismarckhering – das deutsche Gift

Der Chef des linken „Front de Gauche“ Jean-Luc Mélenchon lässt in seinem Pamphlet kein gutes Haar an der deutschen Politik. Und leider hat er vollkommen Recht.

Der Bismarckhering steht für Jean-Luc Mélenchon für die deutsche Politik, die europaweit für Katastrophen sorgt. Foto: Dr. Bernd Gross / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Das Buch „Der Bismarckhering – das deutsche Gift“ von Jean-Luc Mélenchon hat in Frankreich eine große Polemik ausgelöst und auch ein gewisses Echo in deutschen Medien gefunden. „Mélenchon liebt die Deutschen nicht“, konnte man da lesen, doch offenbar haben die meisten Rezensenten dieses von Mélenchon selbst als „Pamphlet“ bezeichneten Buchs dieses nicht gelesen oder nicht richtig verstanden. Mélenchon wettert nicht etwa gegen „die Deutschen“, sondern gegen eine deutsche Politik, die gerade dabei ist, sowohl Deutschland als auch Europa an die Wand zu fahren. Hoffentlich gibt es bald eine deutsche Übersetzung, die uns Deutschen ein wenig die Augen öffnet, was wir gerade in Europa anstellen.

Während wir in Deutschland noch gar nicht zur Kenntnis nehmen, wohin uns das „System Merkel“ gerade führt, lanciert Mélenchon einen Alarmruf, den man ernst nehmen und hören sollte. Zumal der linke Querdenker Mélenchon sinnvollerweise nicht nur polemisiert, sondern mit Zahlenwerken aufwartet, die zumeist aus offiziellen europäischen Quellen stammen. Anhand zahlreicher Beispiele weist Mélenchon nach, dass Deutschland gerade dabei ist, ein „germanisiertes Europa“ zu schaffen, dessen Hauptzweck darin liegt, den demographischen Wandel einer vergreisenden deutschen Gesellschaft auf Kosten der übrigen europäischen Länder aufzufangen.

Interessant sind die Zahlen, die mit einem alten Irrglauben aufräumen – Deutschland ist nicht etwa das Land der fleißigen Arbeiter, sondern das Land in Europa, in dem die Menschen am wenigsten arbeiten und am meisten Urlaub genießen (zumindest diejenigen Teile der Bevölkerung, die noch nicht vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten sind, wie die 16 % der deutschen Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze leben). Damit widerlegt Mélenchon die gut geölte deutsche Propaganda-Maschine, nach der wir Deutschen uns den Hintern aufreißen müssen, um den „faulen Griechen“ unser sauer verdientes Geld in selbigen zu blasen. Die Griechen arbeiten pro Woche im Schnitt 5 Stunden länger als die Deutschen – mit solchen Zahlen (Quelle: Eurostat) macht Mélenchon Schluss mit realitätsfremden Vorurteilen.

Die Auswirkungen der deutschen Politik auf die europäischen Partnerländer beschreibt Mélenchon auf eindrucksvolle Weise. So ist tatsächlich die deutsche Agrarpolitik an der Schließung zahlreicher landwirtschaftlicher Betriebe in anderen europäischen Ländern Schuld – dadurch, dass die Giganten der Agrarproduktion in Deutschland billige und billigste Arbeitskräfte aus Osteuropa als Scheinselbstständige unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen beschäftigen, hat Deutschland die europäische Agrarwirtschaft unter einen Dumpingdruck gesetzt, der auf der einen Seite Deutschland zum größten Agrarproduzenten Europas hat wachsen lassen, gleichzeitig aber auch Krisen in den Nachbarländern ausgelöst hat. Es wird höchste Zeit, dass sich Deutschland seiner Verantwortung in Europa bewusst wird und Angela Merkel endlich ihre Austeritätspolitik beendet, die nicht nur in Europa, sondern auch in Deutschland nachhaltige Schäden anrichtet, die später über Generationen behoben werden müssen.

So kritisiert Mélenchon völlig zurecht, dass Deutschland das Land in Europa ist, das am wenigsten in die Bildung und Ausbildung seiner immer dünner gesäten Jugend investiert, dafür aber versucht, in anderen Ländern ausgebildete Jugendliche nach Deutschland zu locken, wo diese dann dafür sorgen sollen, dass Deutschland auch morgen noch Renten und Pensionen zahlen kann.

Der Titel des Buchs „Der Bismarckhering – das deutsche Gift“ basiert übrigens auf einer Anekdote, die Mélenchon genüsslich am Anfang seines Buchs ausbreitet. 2014, bei einem Besuch des französischen Präsidenten Hollande in Berlin, veranstaltete die deutsche Kanzlerin einen kleinen Bootsausflug, bei dem sie die historische Sensibilität an den Tag legte, Hollande ein Fässchen Bismarckheringe zu überreichen. Bismarck, der große Sieger des deutsch-französischen Kriegs 1870/71 ist in Frankreich ein rotes Tuch, hatte er doch in der Folge in guter Besatzermanier den deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Schloss Versailles krönen lassen. Dieses peinliche Geschenk überreichte Angela Merkel dem französischen Präsidenten auf der MS Nordwind. Nordwind? Genau, das war der Name der letzten Offensive der deutschen Wehrmacht am Ende des II. Weltkriegs in Frankreich, bei der Zehntausende Menschen einen sinnlosen Tod fanden.

Hoffentlich gibt es bald eine deutsche Übersetzung dieses Buchs, in dem Mélenchon ausdrücklich sagt, dass er die deutsche Politik kritisiert, nicht aber das deutsche Volk. Es wäre interessant, wenn die Deutschen bei der Lektüre dieses Buchs verstünden, was für Kahlschläge die deutsche Regierung gerade in ihrem Namen in Deutschland und Europa durchführt. Vielleicht würde dies den einen oder anderen zum Nachdenken anregen – wer dieses Buch liest, hat wirklich keine Lust mehr, bei der nächsten Wahl für Angela Merkel zu stimmen.

2 Kommentare zu Deutschland: Der Bismarckhering – das deutsche Gift

  1. Das Buch ist Gift. Er wettert nicht gegen eine Politik, die den armen Deutschen aufgezwungen worden sein soll. Die Deutschen unterstützen, was Mélenchon in den Dreck zieht, zumindest zu 70%, und das ist eine ganz satte Mehrheit. Der Mann liegt außer was den Rassismus betrifft, auf einer ähnlichen Linie wie die Rechtsradikalen bei Familie Le Pen.
    Obwohl, Nationalismus (auch “Souveränismus”) ist ja eigentlich ein bisschen wie Rassismus (oder “Rassismus light”)…

  2. Dann müssten Napoleon und der Sonnenkönig auch peinlich und Gift für die Deutschen sein. Jeder tut halt, was er kann. Leistung ist Arbeit pro Zeit, eine längere Arbeitszeit bedeutet nicht mehr Leistung.

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