Deutschland, einig Vaterland?

Zum Tag der Deutschen Einheit muss es gestattet sein, sich ein paar grundsätzliche Fragen zu diesem Deutschland zu stellen, das sich am 3. Oktober 1990 (wieder) vereinte…

Denkmal in Berlin, Ost und West reichen sich die Hand. Aber so ganz ist das noch nicht vollzogen... Foto: Orderinchaos / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Bilder sind noch im Kopf. Es war im Bonner Wasserwerk, diesem Parlaments-Provisorium in den Bonner Rheinauen, wo formell über die Aufnahme von 5 neuen Bundesländern, also der kompletten DDR, in die Bundesrepublik Deutschland abgestimmt wurde. Natürlich gab es keine kontroverse Debatte, es war eher ein formaler Akt. Warum man dieses Datum zum neuen deutschen Nationalfeiertag bestimmte und nicht etwa den 9. November, als 1989 die Berliner Mauer symbolisch eingerissen wurde, werden Historiker noch eine Weile zu ergründen versuchen. Sei’s drum, der 3. Oktober ist seither der Tag der Deutschen Einheit. Aber wie ist es um diese Einheit wirklich bestellt?

Wie einig Deutschland im Jahr 2021 wirklich ist, das hat man am letzten Wochenende gesehen. Große Teile der neuen Bundesländer im Osten der Republik tauchen heute auf den Wahlgraphiken in einem hässlichen Himmelblau auf, denn sie sind in die Hände der rechtsextremen AfD gefallen, die ansonsten in den alten, also westlichen Bundesländern in der Regel nur noch einstellig ist. Was die Menschen im Osten bewegt, ausgerechnet für die AfD zu stimmen, ist weiter rätselhaft. Die Fremdenfeindlichkeit, die in breiten Schichten in den neuen Bundesländern vorherrscht, ist nur schwer nachzuvollziehen.

Waren es nach dem Mauerfall die bei der Wende zu-kurz-Gekommenen, die sich von den Parolen der Rechtsextremen und Neofaschisten einlullen ließen, so ist das Herausfallen aus sicheren sozialen Netzen heute eigentlich kaum noch ein Argument. Löhne und Renten werden immer weiter zwischen Ost und West angeglichen, es wird enorm in den neuen Bundesländern investiert, es entstehen Arbeitsplätze, der Osten entwickelt sich und wird entwickelt. Und dennoch pflegt ein großer Anteil der dortigen Bevölkerung dieses rechtsextreme, dumpf-nationalistische Gedankengut und das wird wohl auch eine Weile so bleiben.

Foto: Dr. Meierhofer via Flammingo / Wikimedia Commons / PD

Foto: Dr. Meierhofer via Flammingo / Wikimedia Commons / PD

Während eine wirtschaftliche Nivellierung Ost-West stattfindet, sind die Gräben zwischen Ost und West geblieben. Nach wie vor ist für viele „Wessis“ New York näher als Greifswald und die Flugreise nach Mallorca eher eine Option als die weißen Strände von Usedom.

Das gegenseitige Unverständnis ist immer noch vorhanden und obwohl sich viele Mühe geben, die Unterschiede zwischen Ost und West immer geringer zu gestalten, haben die 40 Jahre DDR ebenso tiefe Spuren im Osten hinterlassen wie 40 Jahre als „Satellit“ der USA im Westen.

Die deutsche Einheit ist noch lange nicht erreicht. Die Landschaften im Osten fangen jetzt, mehr als 30 Jahre nach Vollzug der Vereinigung, langsam an zu blühen. Doch sind die von Helmut Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“ noch lange nicht ausreichend, um die Gräben zwischen den Mentalitäten in Ost und West vergessen zu lassen.

Dass es heute Kulturaustausch zwischen Deutschland und praktisch jedem anderen Land der Welt gibt, ist eine erfreuliche Selbstverständlichkeit geworden. Aber jetzt sollte man auch diesen Austausch zwischen neuen und alten Bundesländern massiv fördern und ausbauen, damit eines Tages die Unterschiede zwischen Ost und West verschwinden und unsere Brüder und Schwestern im Osten sich nicht länger in die Arme neofaschistischer Brunnenvergifter flüchten müssen, weil sie das Gefühl haben, anderswo nicht ernstgenommen zu werden. Dann klappt’s auch irgendwann mit der deutschen Einheit…

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