Deutschland feiert den “Tag der Befreiung” (leider nicht)

Fast überall auf der Welt ist der heutige 8. Mai ein Feiertag. Denn am 8. Mai befreiten die Alliierten die Welt vom Joch der Nazis. Nur Deutschland feiert nicht.

Am 8. Mai 1945 unterzeichnete Generalfeldmarschall Keitel die deutsche Kapitulation. Die Welt feiert diesen Tag, Deutschland leider nicht. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-J0422-0600-002 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Es war der 8. Mai 1945 – Generalfeldmarschall Keitel unterzeichnete die bedingungslose Kapitulation Deutschlands in Berlin-Karlshorst und beendete mit seiner Unterschrift das 1000jährige Reich nach gerade einmal 12 Jahren. Doch was die Nazis in diesen 12 Jahren (und den Jahren zuvor) anstellten, ist das schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das je begangen wurde. Wieso schafft es Deutschland nicht, den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ zu begehen?

Klar, Deutschland hat den II. Weltkrieg verloren (ebenso wie den I.). Allerdings haben auch alle anderen Kriegsparteien diesen Krieg verloren, denn bei Kriegen gibt es, außer den Aktionären der Rüstungsindustrie, nie Gewinner. Die weit über 40 Millionen Opfer dieses barbarischen Kriegs kann man nur schwer als „Gewinner“ bezeichnen – weswegen die Befreiung von der wohl kränksten Ideologie der menschlichen Geschichte keine „Niederlage“ war, sondern die Rettung. Unter anderem auch die Rettung Deutschlands.

Seit Jahren bemühen sich immer mal wieder Politiker verschiedener Politikrichtungen, diesen 8. Mai als Feiertag, eben als „Tag der Befreiung“ einzuführen. In der ehemaligen DDR war dies kein Problem, doch lag das weniger an der aufgeschlossenen Mentalität der Menschen im Osten Deutschlands, als vielmehr an der Tatsache, dass die DDR die Kriegsverbrechen der Nazis einfach auf die BRD abgeschoben hatte und sich selbst damit als mehr oder weniger nicht betroffen erklärt hatte.

Das Nicht-Begehen des 8. Mai ist ebenso wie das Nicht-Begehen des 11. November (nur als Erinnerung, an diesem Tag endete der I. Weltkrieg…) ist alles andere als unbedeutend. Denn mit den Jahren verblasst nicht nur die Erinnerung, sondern im Gegenteil, dieses Vergessen lädt zur Legendenbildung ein. „Soooo schlecht war damals auch nicht alles…“, solche Sprüche hört man in Deutschland 2018. Im ach so faschistenfreien Osten Deutschlands marschieren Neonazi-Gruppen auf, wütet die „Pegida“, gewinnt die AfD immer mehr Einfluss. Ist das wirklich der Moment, den Ewiggestrigen entgegen zu kommen und das Vergessen des schwärzesten Kapitels der deutschen Geschichte Vorschub zu leisten?

Wer heute lebt, genießt das, was Helmut Kohl einst als die „Gnade der späten Geburt“ bezeichnet hatte – 2018 ist Deutschland kein Tätervolk mehr, sondern ein Volk, das nicht umhin kommt, sich mit den Verbrechen der Elterngenerationen auseinander zu setzen. Da die Schuldigen nicht mehr leben, geht es logischerweise nicht mehr um Schuldzuweisungen. Sondern darum, dass man nicht vergisst, mit welchen Mechanismen eine Ideologie wie der Nazi-Wahnsinn zur Macht gelangen konnte. Wie wichtig das ist, erkennt man daran, wie stark neonationalsozialistisches Gedankengut heute wieder verbreitet wird.

Heute ist ein Tag, an dem man sich einerseits vor den Opfer des II. Weltkriegs verneigen sollte und andererseits auf die Befreiung vom Nazitum anstoßen sollte. Nicht nur im Ausland, sondern auch und vor allem in Deutschland. Dass wir heute in Deutschland immer noch das Gefühl haben, an diesem Tag den Krieg verloren zu haben, zeigt, dass dieses Gedankengut immer noch unterschwellig existiert. Schönen 8. Mai!

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