Deutschland setzt das Schengener Abkommen außer Kraft

Überraschend hat gestern Deutschland wieder Kontrollen an der Grenze nach Österreich eingeführt. Was wird nun aus den Flüchtlingen, die aus Ungarn kommen?

Von dieser Seite aus die die Grenze zwischen Österreich und Deutschland für Flüchtlinge dicht. Foto: User My Friend / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Mit kreativen Lösungen hat die Maßnahme, die gestern Nachmittag von Innenminister Thomas de Maizière vor der Presse verkündete, nichts zu tun. Angesichts der hohen Anzahl Flüchtlinge, die von Ungarn aus den Weg ins zivilisierte Europa suchen, führte der Innenminister kurzerhand wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Österreich ein. Ist das schon das jähe Ende des „hellen Deutschland“, durch das einige Tage lang eine Welle der Hilfsbereitschaft schwappte? Und vor allem – was wird nun aus den Menschen, die in Ungarn üblen Repressalien ausgesetzt sind, in Tschechien und Kroatien nicht geduldet werden und dann in Österreich hängen bleiben? Das Ganze ähnelt ein wenig dem Spiel „Schwarzer Peter“ – nur, hier geht es nicht um Spielkarten, sondern um Menschen.

Erst vor wenigen Tagen hatte Angela Merkel den bemerkenswerten Satz gesagt, dass es angesichts der Tragödie der Flüchtlinge keine Obergrenze geben könne, doch die ist offensichtlich gestern um 17:40 Uhr erreicht worden. Zwar betonen alle, dass diese Maßnahme nur vorübergehend sein soll, doch wie vorübergehend das sein soll, erklärte de Maizière, als er mitteilte, dass man sich „auf eine längere Dauer dieser Maßnahme“ einrichten solle.

Die Frage, ob diese Maßnahme mit dem europäischen Schengen-Ankommen vereinbar ist, werden Juristen klären. Offenbar ist die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Europa gerade wieder in Mode gekommen und bislang hat sich kein europäisches Land darum geschert, ob die Wiedereinführung von Grenzkontrollen, wie vorübergehend diese auch sein mag, mit europäischen Recht kompatibel ist oder nicht.

Klar ist, dass ab sofort niemand mehr auf legalem Weg die deutsche Grenze von Österreich aus passieren kann, der kein gültiges Visum für die Bundesrepublik hat – also kein Flüchtling. Ausreisen können die Flüchtlinge aus Ungarn, was auch besser so ist, denn die Behandlung der Flüchtlinge ist in Ungarn mehr als grenzwertig. Doch wohin sollen die Menschen? In Tschechien und Kroatien können sie nicht bleiben, denn dort schlägt ihnen gerade offener Hass entgegen. Alle nach Österreich? Das werden die Österreicher nicht wollen. Und nach Deutschland und von dort eventuell weiter nach West- oder Nordeuropa können die Flüchtlinge nun auch nicht mehr.

Die heute stattfindende Konferenz der europäischen Innenminister steht damit unter einem unglaublichen Druck – heute ist der Tag, an dem Europa an der Frage der Flüchtlinge auseinanderbrechen könnte. Entweder einigt man sich heute auf eine sofortige Verteilung der Flüchtlinge auf alle 28 EU-Mitgliedsstaaten, was die osteuropäischen Mitglieder rundweg ablehnen und auch die baltischen Staaten nicht wollen (Großbritannien und Dänemark machen bei so etwas ohnehin nicht mit), oder aber Europa ist gescheitert. Mit Zehntausenden Flüchtlingen in einer Art Niemandsland zwischen Ungarn und Deutschland, die nicht mehr vorwärts und nicht mehr rückwärts kommen.

Es ist zwar nachvollziehbar, dass die deutschen Kapazitäten in den letzten Tagen an den Anschlag gekommen sind, doch muss es doch möglich sein, mehr Druck auf die europäischen Partner auszuüben. Wenn es darum geht, Griechenland die Gurgel zuzudrücken, geht das doch auch. Heute muss eine Entscheidung über die von vielen abgelehnten Quoten der Verteilung der Flüchtlinge fallen – ansonsten fällt die Idee eines Europas der gemeinsamen Werte.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste