Deutschland stolpert an der Impfpflicht vorbei

Zwei Gesetzesvorschläge für die Einführung einer Impfpflicht in Deutschland sind im Bundestag gescheitert. Allerdings war das Timing hierfür auch mehr als unglücklich.

Einen gesetzlichen Zwang zur Impfung wird es vorerst nicht geben. Foto: Superikonoskop / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der Ukraine-Krieg hat Themen wie die Pandemie weitgehend in den Hintergrund rücken lassen. Doch ist diese Pandemie nach wie vor aktuell, nach wie vor hoch virulent und kostet nach wie vor Menschenleben. Doch wie soll man mit der Frage der Impfung umgehen, in einem Land, in dem sich nach mehr als 2 Jahren der Pandemie immer noch ein Viertel der Bundesbürger weigert, sich impfen zu lassen? Nur wenige Tage, nachdem fast alle sanitären Maßnahmen abgeschafft wurden, da die Pandemie angeblich keine Belastung mehr für das Gesundheitswesen darstellt, ist es schwierig, den Menschen zu verkaufen, dass die Pandemie zwar keine Belastung mehr darstellen soll, aber dann doch wieder so gefährlich ist, dass sie einen zwangsweisen Eingriff in die Unversehrtheit des Körpers erfordert.

Nachdem lange über eine Impfpflicht für alle über 18 diskutiert worden war, dann über eine Impfpflicht ab 50, wurden am Ende zwei Vorschläge im Bundestag zur Abstimmung gebracht. Nämlich der Vorschlag einer Impfpflicht ab 60 und ein Vorschlag, nach dem nur Vorbereitungen für eine Impfpflicht getroffen werden sollten, die eventuell zu einem späteren Zeitpunkt verhängt werden könnte. Beide Vorschläge wurden ganz klar abgelehnt, so dass es vorerst beim Status Quo bleibt.

Nachdem Gesundheitsminister Lauterbach erst letzte Woche zurückrudern musste, nachdem er zunächst erklärt hatte, dass es für positiv Getestete keinen Zwang mehr zu Isolation und Quarantäne geben sollte (was ja auch eher darauf hinweist, dass die Pandemie nicht mehr sonderlich gefährlich sei), kommt die Diskussion zur Impfpflicht zum blödesten Zeitpunkt. Dass man sich bei diesem Hin und Her in der Bevölkerung die Frage stellt, ob dieses Virus nun gefährlich, harmlos, tödlich oder gar besiegt sei, ist nachvollziehbar. Und dass diese Fragen inzwischen immer lauter gestellt werden, ist ebenfalls verständlich. Man kann nicht einerseits sagen „das ist jetzt nicht mehr so schlimm“, gleichzeitig aber einen gesetzlichen Zwang ausüben wollen, Impfungen vorzuschreiben, über deren Wirksamkeit noch lange gestritten werden wird.

So ist inzwischen auch klar, dass man das Phänomen des „Long Covid“ mit teilweise sehr heftigen Folgen für die Patienten bislang nur unzureichend wahrgenommen hat und dass die Impfungen „Long Covid“ nicht verhindern können. Die Aussage von Karl Lauterbach, dass es weniger Todesfälle dank der Impfungen gibt, ist auch eher über den Daumen gepeilt, da niemand mit Sicherheit sagen kann, ob das aktuelle Omikron-Variant, das auch zahlreiche dreifach geimpfte Personen betrifft, einfach nur weniger gefährlich ist als die bisherigen Varianten oder ob die geringere Anzahl schwerer Verläufe tatsächlich der Impfung geschuldet ist, was ebenso gut möglich ist. Zu dieser Frage definitive Aussagen zu treffen, ist schon ziemlich mutig, zu einem Zeitpunkt, zu dem man nicht einmal mit Sicherheit sagen kann, ob das Tragen von Masken hilfreich ist oder nicht.

Hätte man wirklich eine Impfpflicht einführen wollen, wäre es deutlich sinnvoller gewesen, der Bevölkerung nicht zwei Wochen vorher zu suggerieren, dass die Pandemie quasi vorbei, zumindest aber so weit im Griff sei, dass man auf Schutzmaßnahmen verzichten kann. Doch mit diesem Timing hat man nur noch das Gefühl, dass die neue Regierung, ebenso wie die vorherige, der Pandemie völlig hilflos gegenübersteht und keinen richtigen Plan hat. Und wenn Karl Lauterbach immer noch der Meinung ist, dass es so etwas wie eine „Herdenimmunität“ geben kann und dass, sollten alle machen, was er sagt, die „Pandemie im Herbst in Deutschland besiegt“ ist, dann steigert das auch nicht gerade das Vertrauen in die Fähigkeiten dieser Regierung.

Doch das Thema ist nicht abgeschlossen, sondern lediglich vertagt. Immerhin sind wir in der 6. Welle und die nächsten Varianten sind bereits identifiziert. Schade, dass die Impfpflicht ein Politikum ist (ebenso wie die vorschnelle Abschaffung aller Maßnahmen) und nicht der Wissenschaft überlassen bleibt. Richten wir uns also darauf ein, noch sehr lange mit diesem Virus leben zu müssen…

1 Kommentar zu Deutschland stolpert an der Impfpflicht vorbei

  1. Man gewinnt nicht den Eindruck, dass diese Regierung je das liefern wird, für was sie gewählt wurde.

    Die Stille in all den Krisen ist unerträglich, der Regierungschef auch in schwierigen Zeiten nicht sichtbar und viele Minister schlicht eine Peinlichkeit oder Zumutung.

    Lohnt sich nicht, darüber zu schreiben,

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste