Deutschland wird immer mehr zum Buhmann Europas

Wenn Ihnen im Sommerurlaub ein wütender Grieche in den Ouzo spuckt, dann bedanken Sie sich bei dieser zufrieden lachenden Dame. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Wir Deutschen sind mit überwältigender Mehrheit mit der Politik der Bundeskanzlerin Angela Merkel einverstanden, das bestätigen nicht nur ihre Wahlergebnisse, sondern auch die entsprechenden Umfragen. Da stellt sich doch die Frage: Womit sind wir da eigentlich einverstanden? Das wissen wir nämlich überhaupt nicht. Um das zu testen, könnten Sie mal kurz überlegen, welche fünf Maßnahmen der Kanzlerin und ihrer Regierung Sie in den letzten zweieinhalb Legislaturperioden, also der „Ära Merkel“, so richtig zufrieden waren. Fünf Maßnahmen, die eventuell sogar Ihr Leben zum Besseren verändert hätten. Sehen Sie, Sie finden keine solchen fünf Maßnahmen.

Vielleicht finden Sie ja gut, dass sich der Gengenbacher Wolfgang Schäuble, das CDU-Urgestein an der Spitze des Finanzministeriums, so heftig dagegen wehrt, Griechenland zu helfen. Immerhin, so denken Sie, haben wir ja nun wirklich schon genug für Griechenland gezahlt. Das stand ja auch in der Zeitung. Nur – wir haben gar nicht für Griechenland gezahlt. Wir haben für deutsche Banken gezahlt, die mit ihren Spekulationsabteilungen griechische Staatsanleihen aufgekauft haben, zum Teil mit einem „Risikorabatt“ von bis zu 28 %. Damit diese ihr Geld (und ihre unanständig fetten Gewinne) bekommen, haben wir griechischen Banken Geld gegeben, damit diese dieses Geld gleich wieder an deutsche (und ausländische) Banken zurückzahlen konnten. Wir haben also nicht Griechenland geholfen, sondern den internationalen Spekulationskreislauf am Leben gehalten. Die Griechen, die Sie bei Ihrem Sommerurlaub auf den griechischen Inseln treffen werden, die wissen das allerdings. Denn die haben nur den Gürtel enger schnallen müssen, damit unsere Banken ja genug Geld verdienen.

Ja, werden Sie nun sagen, dafür haben wir eine ganz schön niedrige Arbeitslosenquote. Stimmt, die haben wir. Schön gerechnet bis zum Abwinken und auch nur als Momentaufnahme, denn mit dem Herannahen der geburtenschwachen Jahrgänge (der so genannte „demographische Wandel“) ist es gar nicht soooo schwierig, weniger Arbeitslose zu haben. Problematisch wird es erst dann werden, wenn immer weniger Arbeitnehmer die Renten von immer mehr Rentnern zahlen müssen – aber dann ist Frau Merkel ja schon im Ruhestand und genießt eine üppige Pension in der Uckermark. Außerdem, auch das sollte man bedenken, ist dieser „wirtschaftliche Erfolg“ zu einem hohen Preis eingekauft – 12,5 Millionen Menschen sind in Deutschland laut einer Studie des Paritätischen Gesamtverbands von Armut bedroht, immerhin jeder sechste Deutsche. Aber von denen hören Sie zum Glück nicht viel, denn diese Menschen haben keine Lobby, gehen nicht wählen, sondern verhalten sich genau so, wie man es ihnen beim Jobcenter sagt. Denn sonst wird ihnen auch noch das Hartz IV gekürzt, was ohnehin zuviel zum Sterben, aber zu wenig zum Leben ist.

Aber eines können wir Deutschen richtig gut – mit dem Finger auf andere zeigen. Denn immerhin sind wir Exportweltmeister (und Fußballweltmeister) und wissen ziemlich genau, was die Menschen und Regierungen im Süden Europas zu machen haben, damit es ihnen genauso gut geht wie uns. Beziehungsweise uns minus den 12,5 Millionen von Armut bedrohten Mitmenschen. Mag sein, dass man Sie beim Sommerurlaub auf Samos, an der Algarve oder an der Costa Brava darauf ansprechen wird. Für diesen Fall sollten Sie sich vorher etwas dokumentieren, das könnte verhindern, dass Sie Dinge sagen, nach denen man Ihnen in den Ouzo oder die Sangria spuckt.

Deutschland ist dabei, Europa an die Wand zu fahren, mit freundlicher Unterstützung einiger Mittäter, die eigentlich eher ins Gefängnis als in hohe politische Ämter gehören. Und wir sind mit überwältigender Mehrheit damit zufrieden. Wirklich? Können wir damit zufrieden sein, dass wir nur noch an uns selber denken und unsere Nachbarn, Partner und Freunde ins Elend treiben?

Vielleicht sollten wir vor den nächsten Wahlen (die kommen bestimmt) ein wenig länger nachdenken, was wir eigentlich an der deutschen Politik so gut finden. Es könnte gut sein, dass wir dann feststellen, dass die deutsche Politik gar nicht so gut ist und sollten wir zu diesem Schluss kommen, dann wäre es vielleicht an der Zeit, einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht einmal anders wählen, als wir das immer schon getan haben. So lange wir dann nicht in die Fänge nationalistisch denkender Extremisten geraten.

2 Kommentare zu Deutschland wird immer mehr zum Buhmann Europas

  1. Was wird uns deutschen Bürgerinnen und Bürgern vorgegaukelt? Mit Suggestivfragen wird das Bild verzerrt und versucht, uns zum „Wutbürger“ heranzuziehen und entsprechend zu wählen:

    http://www.handelsblatt.com/politik/international/gewinner-und-verlierer-fuenf-wahrheiten-ueber-die-euro-krise/4434438.html

    Über die Konsequenzen scheinen sich viele Banker keine Gedanken zu machen.

    Und was wird nach Erscheinen des Armutsberichtes des Paritätischen gemacht? Die Auswertung wird in Frage gestellt.

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/armut-in-deutschland-falsch-berechnet-1.2360605

    Beschwichtigung statt die Augen vor den wahren Problemen zu öffnen. So einfach kann man es sich machen.

    Immer mehr Obdachlose sehe ich morgens auf dem Weg zur Arbeit an den Bahnhöfen. Die Aufnahmekapazitäten von entsprechenden Anlaufstellen für sie stoßen ihre Grenzen. Von den oft unzumutbaren Zuständen in Flüchtlingsheimen ganz zu schweigen.

    Ich schäme mich fast, als Deutsche im europäischen Raum in Urlaub zu fahren, komme mir vor wie „neureiche Russen“, die ihr Geld verprassen und es sich gut gehen lassen können auf Kosten anderer.

    Das sind meine Fakten!

  2. Lucia, das sind auch meine Fakten. Was mich besonders ärgert, ist die “Propaganda” bezüglich Griechenland. Fast sämtliche Gelder, von denen die Deutschen denken, dass sie “den Griechen” als Hilfe bereit gestellt worden wären (was ja bedeuten würde, “die Griechen” hätten grade mal 240 Milliarden Euro verprasst), sind an Banken gegangen, die damit ausländische Gläubigerbanken bedient haben, die zuvor auf den Zusammenbruch Griechenlands gewettet hatten, indem sie griechische Anleihen mit “Risikorabatten” von bis zu 28 % (!) aufgekauft hatten. Das Geld, das wir angeblich “den Griechen” zur Verfügung gestellt haben, hat vor allem dazu gedient, den Finanz- und Spekulationskreislauf zwischen den Banken aufrecht zu halten. Und dann wundern sich unsere großartigen Europahelden wie Juncker & Co., dass sich die Menschen enttäuscht von diesem großen Korruptionssumpf abwenden…

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