Dicke Luft um die GCO

Premierminister Castex hat am Samstag die Große Westumfahrung (GCO) der Stadt eingeweiht. Doch trotz allem „Greenwashing“ des Betreibers Vinci bleibt dieses Projekt ein „Ökozid“.

So richtig willkommen war Premierminister Castex (Mitte) im Elsass nicht... Foto: (c) Marine Dumény

(KL) – Die neue Westumfahrung der Stadt Straßburg, die offiziell den Verkehr auf der Stadtautobahn in Straßburg reduzieren soll, ist nicht nur die zweitteuerste Autobahn Frankreichs (auf den Kilometer gerechnet), sondern vor allem ein ziemlich sinnloser „Ökozid“, der dem Vogesenvorland einen irreparablen Schaden zugefügt hat. Die Einweihung durch den Premierminister Jean Castex wurde von den Verantwortlichen der Stadt und der Eurometropole Straßburg boykottiert.

Am Samstag tummelten sich im Wald am ansonsten so friedlichen Kochersberg jede Menge Polizisten. Auch der Weg zum Veranstaltungsort der Einweihung war ein einziger Aufmarsch von Polizei und Militär. Offenbar hatte man sich in Paris Sorgen gemacht, dass dieses von vielen Straßburgern, aber vor allem den Bewohnern der zerstörten Naturlandschaften am Kochersberg (wo die GCO eine schlimme Schneise ins Vogesenvorland geschlagen hat) abgelehnte Projekt zu militanten Protesten führen könnte. Aber die blieben aus. Genau wie die Honoratioren der Stadt, die unisono erklärten, dass sie immer schon gegen dieses Projekt waren und deshalb keinerlei Grund sähen, der Eröffnung beizuwohnen.

Das Projekt der Großen Westumfahrung stammt aus den 70er Jahren, einer Zeit, in der Dinge wie Umwelt- oder Klimaschutz in der Wahrnehmung der Menschen praktisch nicht existierten. Nach Jahrzehnten der Gutachten, Gegengutachten und Prozesse hatte der damalige Präfekt Marx (widerrechtlich) dem Betreiber Vinci die Erlaubnis erteilt, mit der Rodung des Walds bei Kolbsheim zu beginnen, womit unverrückbare Tatsachen geschaffen worden waren. Doch die überraschende Nähe dieses Präfekten zur Firma Vinci schien niemanden zu stören, dabei ziehen sich die Genehmigungen für sinnlose, dafür aber sehr teure Bauvorhaben von Vinci durch die verschiedenen Departements, in denen Präfekt Marx aktiv war. Dort, wo Marx in Amt und Würden war, verdiente Vinci viel Geld. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Doch ist gut nachvollziehbar, dass die Straßburger Stadtoberen keine Lust hatten, bei dieser Einweihungsfeier mit geschlossener Gesellschaft teilzunehmen. Denn was Premierminister Castex dort feierte, war die Übernahme der Kontrolle des gesamten europäischen Nord-Süd-Verkehrs auf der Straße durch Vinci. Denn auf der anderen Rheinseite hat sich die Firma „Via Solutions Südwest“ eine 99-Jahre-Lizenz für den Abschnitt Malsch – Offenburg auf der Autobahn A5 gesichert. Und „Via Solutions Südwest“ gehört zu 54 % niemand anderem als – Vinci.

Durch die Schaffung dieses „Flaschenhalses“ des europäischen Autobahnnetzes auf Höhe Straßburg kontrolliert Vinci ab sofort den gesamten Verkehr zwischen dem Norden und dem Süden Europas und vor allem, das Unternehmen kassiert auf beiden Seiten ab und kann sogar durch Preisanpassungen steuern, auf welcher Rheinseite der Verkehr konzentriert wird. Dass damit europäische Verkehrspolitik in die Hände eines privaten Unternehmens gelegt wird, ist die Bankrotterklärung der Politik gegenüber privaten, wirtschaftlichen Interessen. Was es daran zu feiern gibt, das wissen wohl nur Premierminister Jean Castex und der frühere Präfekt Marx.

Für den Verkehr wird die GCO am 17. Dezember freigegeben, und gleichzeitig wwird die Geschwindigkeit auf der bisherigen Stadtautobahn auf 70 km/h begrenzt. Doch zu glauben, dass nun die LKWs auf Osteuropa oder den baltischen Staaten aufgrund dieser Gedschwindigkeitsbegrenzung nicht auf andere Strecken als die teure GCO ausweichen, ist blauäugig.

Und mit diesem Kahlschlag im Vogesenvorland ist es leider immer noch nicht getan. In der Planung ist ebenfalls eine Zuleitung vom nördlichen Elsass, wo es zwischen der Autobahn A65 bei Kandel und der Autobahn auf der französischen Seite noch ein störendes Stück Bundesstraße gibt, das durch den Naturpark Bienwald in der Südpfalz führt. Um den LKW-Verkehr zu beschleunigen, soll ebenfalls eine Trasse durch den Bienwald geschlagen werden und es ist unglaublich, dass den finanziellen Interessen einer großen französischen Finanzgruppe nichts entgegenzustellen ist.

Die ökologischen Schäden, die Vinci dem Elsass zufügt, werden nachhaltig sein. Da nützt es nichts, dass Vinci mit allen Mitteln versucht, sich als Verfechter des Umweltschutzes zu präsentieren – dieses Unternehmen verwüstet ganze Landstriche, um damit Geld zu verdienen.

So sehr momentan die grüne Stadtregierung Straßburgs und die Leitung der Eurometropole in der Kritik stehen, ihr Boykott dieser peinlichen Jubelfeier, bei der einmal mehr die hohe Politik und die wirtschaftlichen Interessen der Privatwirtschaft ihren Schulterschluß begießen, ist vollkommen richtig. Diejenigen, die das schöne Elsass für aktuelle und zukünftige Generationen unwiderbringlich zerstören, verdienen daran zwar sicher sehr gut, aber das macht sie keinen Deut besser. Jean Castex hätte es in Straßburg lieber bei der Trauerfeier für die Opfer des Attentats vom 11. Dezember 2018 belassen, statt derart ostentativ zu zeigen, dass diese Regierung vor allem im Interesse von Big Business unterwegs ist. Aber immerhin können die Franzosen im Jahr 2022 an den Urnen sagen, was sie von dieser Politik halten…

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