Die „100 Tage der Befriedung“ laufen ja toll…

Am 17. April kündigte Emmanuel Macron an, Frankreich in 100 Tagen „befrieden“ zu wollen. Von den 100 Tagen sind bereits 14 vorbei und Frankreich steht am Rande zur Revolte.

Die "Befriedung Frankreichs" läuft offenbar richtig gut... Foto: ScS EJ

(KL) – Sie hatten sich richtig viel Mühe gegeben, die Protestbewegung gegen die am Parlament vorbei durchgeboxte Rentenreform klein-, wenn nicht gleich totzureden. Bereits am Vorabend der 1. Mai-Demonstrationen „wußte“ man in den Pariser Ministerien, dass am nächsten Tag „nur“ 500-600.000 Demonstranten in Frankreich auf die Straße gehen werden. Wahrscheinlich bekam die Politik den Tip von den Millionen kostenden Beratern in den Palästen der Macht, aber auf jeden Fall reichte das schon mal aus, um vorsorglich den zu erwartenden Zusammenbruch dieser Protestbewegung zu verkünden. Nur, einmal mehr hatte die Regierung die Rechnung ohne die Franzosen gemacht. Von denen gingen gestern laut Gewerkschaftszählung 2,3 Millionen bei 300 Demonstrationen im ganzen Land auf die Straße, um Präsident Macron mehr oder weniger höflich zu bitten, doch sein Renteneintrittsalter deutlich vorzuziehen. Von „Befriedung“ kann allerdings angesichts der erneut bürgerkriegsähnlichen Szenen in Paris und mehreren anderen Städten keine Rede sein. Aber im Grunde seines Herzens will Macron ja auch gar keine „Befriedung“ des Landes, dazu macht es ihm viel zu viel Freude, „denen, die nichts sind“ zu zeigen, wer der Chef ist.

Dass Macron durch seine politische Fantasielosigkeit und das geradezu Kohl’sche Aussitzen seiner zahlreichen Krisen derjenige ist, der für diese Entwicklung verantwortlich ist, hat in Frankreich jeder verstanden, bis auf ein paar Jünger des inzwischen unbeliebtesten Präsidenten der V. Republik und diejenigen, die mit Posten, Pöstchen und entsprechenden Einkommen belohnt werden.

Es bleiben also nur noch 86 Tage zur „Befriedung“ Frankreichs. Aber was soll man heutzutage schon noch glauben? Auch Putin behauptet, dass er die Ukraine „befrieden“ will… Auf jeden Fall verspielt diese Regierung jeden Tag ein weiteres Stückchen des kaum noch vorhandenen Vertrauens in der Bevölkerung und selbst die jämmerlichen Versuche, die Ausschreitungen der kriminellen „Black Blocks“ einer imaginären „Ultra-Linken“ in die Schuhe zu schieben, sind ebenso wenig glaubwürdig wie die grotesk gefälschten Zahlen der Demonstranten im Land.

Präsident Macron und seine Regierung werden nicht in der Lage sein, Frankreich zu befrieden. Sie können Proteste gewaltsam unterdrücken, sie können der Bevölkerung den Krieg mit ihren Robocops erklären, sie können das Land immer näher an noch gewalttätigere Konfrontationen führen, aber „befrieden“ können sie es nicht mehr. Das könnte nur noch morgen der Verfassungsrat, der an diesem 3. Mai seine Entscheidung zum zweiten Antrag auf eine Volksabstimmung (RIP) zur Rentenreform verkünden wird. Dies wäre wohl die letzte Chance, schlagartig Ruhe in Frankreich einkehren zu lassen, die von diesem Präsidenten ernsthaft beschädigte französische Demokratie zu retten und eine weitere Eskalation der Gewalt zu verhindern. Doch leider ist dieser Verfassungsrat nur mit treuen Vasallen des Pariser Machtapparats besetzt und die Chancen, dass die „Weisen“ eine weise Entscheidung treffen, tendieren gegen Null.

Inzwischen ist die Frage der Rentenreform fast nur noch eine persönliche Auseinandersetzung zwischen einem Präsidenten, der von seiner Aufgabe sichtlich überfordert ist und den aufmüpfigen Galliern, denen ihr oberster Chef permanent zeigen muss, wer über sie herrscht.

An dieser Stelle sieht man auch das enorme Mißverständnis, das zwischen den Franzosen und Macron herrscht. Während sich die Franzosen einen Präsidenten wünschen, der die Angelegenheiten des Landes in ihrem Sinne managt, wünscht sich Macron ein Volk, dass seine „göttlichen Eingebungen“ klaglos schluckt. Beide werden nicht das bekommen, was sie sich wünschen. Dafür werden die nächsten Wochen in Frankreich sehr angespannt und gewalttätig werden. Es sei denn, der Verfassungsrat hat ein Einsehen und sorgt dafür, wofür Präsident und Regierung nicht mehr sorgen können: Ruhe im Land.

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