Die aufgehende Sonne im Abendland

„Arsmondo“ - Straßburg hat ein neues Festival. In seiner ersten Ausgabe führt der Kulturausflug in die weite Welt nach Japan: Literatur, Kunst, Film und vor allem Musik aus dem fernen Osten. Mit der Eröffnung der Ausstellung über den Literaten Yukio Mishima in der BNU geht es am Freitag los.

Die Werke von Katsushika Hokusai gehören zu den wichtigsten Botschaftern der japanischen Kultur. Foto: Hokusai (ca. 1830) / PD

In Straßburg bin ich,
doch beim Klappern des Storches
sehn’ ich mich nach Straßburg.

(Von Michael Magercord) – Zugegeben, dieser Haiku ist nicht von Meister Basho. Bestenfalls ein Imitat der hohen Kunst des Dichters aus dem 17. Jahrhundert. Bei ihm war es der Schrei des Kuckucks, der in Kyoto sein Sehnsuchtsgefühl nach dem Hier und Jetzt wachrief. Und doch bietet diese kleine Übung der Übertragung kultureller Techniken von einem Kontinent zum anderen einen Vorgeschmack auf das, was Straßburg im kommenden Monat erwartet: Hohe Kunst aus Japan bei der ersten Festival „Arsmondo“.

Japan mit seiner Jahrtausende alte Kultur ist uns fern, und ist es auch wieder nicht. Es sind ja nicht nur die einschlägigen Familiennamen, die unsere ersten Kameras und HiFi-Anlagen trugen, die uns Japan nah gebracht hatten. Am Anfang der europäischen modernern Kunst etwa stand die Entdeckung des berühmten Holzschnitts der Tsunamiwelle vor Kanagawa von Katsushika Hokusai. Umgekehrt waren der Einfluss der europäischen Kultur und der durch sie ausgeübte Modernisierungsdruck in Japan besonders groß. Die Übertragung von Kulturtechniken des Abendlandes hat im Land der aufgehenden Sonne für ihre ganz eigene Ästhetik gesorgt. Bemerkbar ist das nach wie vor in der Musik. Es hat sich aus dem Zusammentreffen westlicher Orchestrierung und fernöstlicher Wahrnehmung etwas ganz eigenes entwickelt, bis hin zur Schaffung von Opern, die zwar das westliche Format bedienen, sich aber mit völlig eigenen Themen und Herangehensweisen davon unterscheiden.

Im Mittelpunkt des neuen Festivals „Arsmondo“ wird die französische Premiere der Oper „Der Tempelbrand“ von Toshiro Mayuzumi aus dem Jahre 1976 stehen, die in einer Koproduktion mit der Tokyo Nikikai Opernstiftung entstehen wird. Es geht darin um den berühmten Goldenen Palais in Kyoto und die zerstörerische Kraft seiner Schönheit. Aber das Bühnenwerk ist bei Weitem nicht alles: Lesungen, Ausstellungen, Filmvorführungen, Mangas und moderne Kammermusik stehen ebenso auf dem umfangreichen Programm.

Das Festival wird uns das Land der fünf Inseln näher bringen. Und es gibt noch viel zu erfahren von der Kultur des eigensinnigen Inselvolkes. Denn nach wie vor erreichen uns ungeheuerliche Nachrichten aus Japan, etwa über jene Umfrage, nach der sich die Menschen glücklicher fühlten, als Anfang 2000 die Krise über das Land kam, als während des vorangegangen Booms. War es den Japanern unheimlich, dass mit einem wirtschaftlichen Höhenflug sich Gewohnheiten und Eigenheiten ebenso rasch verändern? Oder weist diese Autarkie vom ökonomischen Wachstum auf eine tiefe kulturelle Verwurzelung?

Vielleicht findet sich die Antwort schon beim Dichter Basho: die Gegenwart ist bereits der Ort der Nostalgie: alles was ist, befindet sich bereits im Verschwinden, ist also Gegenstand der Sehnsucht nach Gewesenem. Damit ist die Poesie in das moderne Leben zurückgekehrt, in diese Epoche, in der eigentlich nichts bleiben darf wie es ist. Darf es aber eben doch, denn obwohl ich in Straßburg bin, habe ich Sehnsucht nach Kyoto.

Festival ARSMONDO  JAPON

vom 2. März bis 3. April in Straßburg
und am 13. und 15. April in Mulhouse

Programm des Festivals unter www.festival-arsmondo.eu
Tickets unter www.operanationaldurhin.eu

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