Die Bauchschmerzen-Lösung

In Italien kommt es zur nächsten seltsamen Koalition zwischen zwei Parteien, die sich eigentlich spinnefeind sind. Ob diese Zusammenarbeit länger dauern wird als die zwischen dem M5S und der Lega?

Salvini / Di Maio ist Geschichte - die neue Regierung Italiens wird es nicht viel leichter haben. Foto: Giovanni Guida / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Italien wird wohl eine neue Regierung bekommen, die ebenso widernatürlich ist wie die Koalition zwischen der linkspopulistischen „Bewegung 5 Sterne“ (M5S) und der rechtsextremen „Lega“ von Matteo Salvini. Der alte und voraussichtlich neue Regierungschef Giuseppe Conti ist damit beauftragt worden, eine neue Regierung zwischen dem „M5S“ und der sozialdemokratischen PD zu bilden, was die einzige Möglichkeit war, den Sturm auf die Macht des rechtsextremen Matteo Salvini zu stoppen. Allerdings sollte man sich daran erinnern, dass sich M5S und PD vor den letzten Wahlen massiv bekämpft und gegenseitig mit Beleidigungen überzogen haben. Wie lange diese Regierung wohl halten wird?

Die Situation in Italien erinnert ein wenig an die in Großbritannien und sogar an die in Deutschland. Alles, was „links“ von „rechtsextrem“ ist, rauft sich zusammen, um den Lauf der Neonationalisten zu stoppen. Das ist in sich eine gute Nachricht, denn in den letzten Jahren haben die traditionellen Parteien durch ihre Grabenkämpfe überhaupt erst dafür gesorgt, dass die rechtsextremen wie eine braune Welle über Europa geschwappt sind.

Die neue geplante Koalition (die noch durch eine Internet-Abstimmung von den Mitgliedern des M5S bestätigt werden muss), wird es nicht leicht haben, denn es handelt sich um eine „Bauchschmerzen-Koalition“, aus der Not geboren und sie stellt die einzige Möglichkeit dar, Neuwahlen zu verhindern. Genau diese strebte Matteo Salvini an, dessen Timing beim Griff nach der Macht schlicht falsch war. Im Grunde war es Salvini, der seinen politischen Gegnern den Königsweg aufzeigte, ihn auf die Oppositionsbank zu verbannen. Doch eine Koalition aus Parteien, deren Chefs sich im letzten Wahlkampf gegenseitig mit Schimpfworten belegten, die der Anstand verbietet wiederzugeben, wird es nicht einfach haben.

Da erscheint es vernünftig, dass der parteilose bisherige Regierungschef Giuseppe Conte auch diese seltsame Koalition führen soll, denn es wäre unmöglich gewesen, sich zwischen PD und M5S auf einen Premierminister zu verständigen. Conte kommt also die Aufgabe zu, die beiden verfeindeten neuen Brüder in einer Koalitions-Disziplin zu halten – alles andere als eine einfache Aufgabe.

Einig sind sich die neuen Partner darin, Stabilität in die italienische Politik bringen zu wollen. Doch die europafreundliche PD und die europaskeptische M5S verbindet nicht sonderlich viel. Im Gegenteil – als die M5S immer mehr Zulauf hatte, war die PD der ausgemachte politische Gegner und dass sich aus dieser gegenseitigen Abneigung nun gegenseitiger Respekt und eine gemeinsame Grundlage für eine konstruktive Zusammenarbeit bildet, das ist fraglich.

In praktischen Fragen wie dem Haushalt oder auch der Flüchtlingsfrage wird Italien wohl einen Kurswechsel vollziehen. Hatte Matteo Salvini immer wieder große Sozialprogramme auf Pump angekündigt, wird Conte jetzt wohl die Bremse ziehen – was für die EU eine gute Nachricht ist. Doch sollte die neue Regierung nicht schleunigst für mehr für die Bevölkerung Italiens tun, ist die Zukunft vorgezeichnet – Salvini wird so lange in Lauerstellung bleiben, bis auch diese Koalition zerbricht.

Für M5S und PD geht es also in der neuen Koalition nicht nur um Italiens, sondern auch um ihre eigene Zukunft. Für die neue italienische Regierung gilt das alte Motto der NASA, das diese allen ihren Weltraum-Expeditionen mit auf den Weg gab – „Failure is not an option“.

 

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