Die besseren Karten haben nun die anderen…

Hat sich Emmanuel Macron dann doch verpokert? Nachdem er das Parlament in der Hoffnung aufgelöst hatte, seine eigene Partei zu stärken, könnte diese nun in der Versenkung verschwinden.

Mit so einem Blatt "all in" zu gehen, könnte ein Fehler gewesen sein... Foto: Santeri Viinamäki / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Gestern fand die Pressekonferenz der „Neuen Volksfront“ statt, dem überraschenden Zusammenschluss der linken Parteien Frankreichs, die zum ersten Mal seit Jahrzehnten erkannt haben, dass es nicht ihre Aufgabe sein kann, sich darum zu streiten, wer denn nun die „wahre linke Ideologie“ vertritt, sondern dass sie gemeinsam gegen die Gefahr von Rechtsaußen kämpfen müssen. Und das tun sie nun, wodurch Macrons Plan, in der Stichwahl der Neuwahlen am 7. Juli das ewige Duell „wir gegen Le Pen“ für sich zu entscheiden, nicht aufgeht. Im Gegenteil – die Fraktion der „Macronie“ in der Assemblée Nationale wird schrumpfen und aus der „präsidialen Mehrheit“ (die schon lange keine mehr ist…) wird eine kleine Minderheit werden, die weder den Rechtsextremen, noch der linken „Volksfront“ viel entgegenzusetzen hat.

Selbst für die bisherigen Abgeordneten der Macron-Partei „Renaissance“ ist die Auflösung des Parlaments ein Schlag ins Gesicht. Wie alle Abgeordneten wurden sie am Tag nach der Verkündung der Auflösung quasi aus dem Parlament gejagt, hatten nur wenige Stunden Zeit, um ihre Büros leerzuräumen und schon waren sie Geschichte. Die meisten von ihnen wird man nach dem 7. Juli nicht mehr wiedersehen, denn anders als von Macron geplant, werden sie sich zwischen den Kandidaten des „Rassemblement National“ und der „Neuen Volksfront“ aufreiben. Wenn sie es dann überhaupt in die Stichwahl schaffen. Was für eine Wende der Ereignisse!

Die beiden klaren Favoriten für diese Neuwahlen, „Rassemblement National“ und „Neuen Volksfront“ arbeiten trotz der wenigen Zeit, die ihnen Vorzeige-Demokrat Macron eingeräumt hatte, kräftig an ihren Programmen und auf einmal haben die Franzosen eine echte Wahl zwischen verschiedenen politischen Ausrichtungen, in der das „Weiter so!“ der Macronie kaum noch zu hören ist. Die Rechtsextremen wollen ein rechtsextremes Programm durchziehen, die „Neue Volksfront“ will ein radikal linkes und soziales Programm aufsetzen und wofür die Macron-Kandidaten stehen, das wissen sie vermutlich selber nicht, denn auch sie wurden von der Verkündung der Neuwahlen auf dem falschen Fuß erwischt.

Aller Voraussicht nach wird es nach dem 7. Juli keine absolute Mehrheit in der Assemblée Nationale geben und Frankreich wird einen neuen politischen Dialog erleben, bei dem die Parteien nach Mehrheiten und Lösungen für das Land suchen müssen, ohne dass über allem ein Alleinherrscher schwebt, der am Ende alleine entscheidet. Schweben wird er dort zwar immer noch, nur wird er ziemlich alleine auf seinem Olymp hocken, als König ohne Volk, aber auch ohne seine Truppen, denen er selbst das parlamentarische Wasser abgegraben haben wird.

Am Abend des 9. Juni, nach der Verkündung der Ergebnisse der Europawahl und von Macrons Wahlschlappe, ging der Präsident „all in“. Und nun zeigt sich, dass er gar keine so guten Karten hat…

2 Kommentare zu Die besseren Karten haben nun die anderen…

  1. 20 Tage zwischen Auflösung der Nationalversammlung und der angesetzten Neuwahlen sind in der Tat sehr kurz, entsprechen jedoch dem Text von Art. 12 der Verfassung.

    • Stimmt. Genauso, wie die französische Verfassung dem Präsidenten das Recht einräumt, jeden zum Premierminister zu ernennen, der ihm gerade durch den Kopf geht, den Buchhändler an der Seine oder Kylian Mbappé oder wen auch immer. Oder das Land per 49.3 am Parlament vorbei zu regieren. Alles verfassungsgemäss. Aber das wirft die Frage auf, ob die französische Verfassung noch zeitgemäss ist. In Deutschland wäre eine solche spontane Parlamentsauflösung laut GG Artikel 68 schlicht nicht möglich.

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