Die Brüsseler Ruine ist kein „Single Seat“

Der Europaabgeordnete Arne Gericke schreibt an Kurz, Macron und Merkel – mit einer klaren Ansage: Angesichts drohender Baukosten von 1 Milliarde € in Brüssel ist „Straßburg die einzig vertretbare Option!“

Ist überzeugt vom „besseren Standort Straßburg“ und wehrt sich gegen milliardenschwere Steuergeldverschwendung - Europaabgeordneter Arne Gericke. Foto: privat

(Red) – Keiner mag den Wanderzirkus des Europaparlaments. Nun war in die Debatte zuletzt Bewegung gekommen, nachdem sich sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch ihr österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz für einen Sitz des Europaparlaments ausgesprochen hatten – allerdings ohne Nennung des Ortes. Eine offene Frage, dem sich der mecklenburgische Europaabgeordnete Arne Gericke nun in einem Schreiben an Merkel, Kurz und Macron widmet. Sein Vorschlag: Ein „single seat“ in Straßburg. Die Begründung: Rund eine Milliarde Euro Steuergelder müsse man in den nach nur 25 Jahren baufälligen Parlamentsbau in Brüssel investieren, mehr als fünf Jahre Bauzeit wären nötig, ein zeitweiser Umzug nach Straßburg ohnehin angedacht: „Das können wir uns sparen, und stattdessen verantwortlich mit dem Geld der Bürger umgehen und noch dazu ein bürgernahes, dezentrales Europa stärken: Mit einem Vollumzug des Europaparlaments in die bestehenden, qualitativ hochwertigen Gebäude in Straßburg.“ Mit Blick auf den Zweitsitz Brüssel sagt er: „Eine Ruine ist für mich kein ‚single seat‘!“

Gerickes Brief kommt nicht von ungefähr. Seit seiner Wahl 2014 engagiert sich der Abgeordnete für den alleinigen Sitz des Europaparlaments in Straßburg: „Wir können nicht über Brüsseler Zentralismus schimpfen und gleichzeitig mit einem ‚single seat‘ dort den Zentralismus zementieren“, so seine Begründung: „Straßburg steht für das Europa der Bürger und Regionen – und setzt das parlamentarische Herz Europas an den rechten Fleck, raus aus der grauen Bürokraten-Hochburg Brüssel.“ Gericke kämpft dafür auch mit der von ihm gegründeten, fraktionsübergreifenden „Kammerzell-Gruppe“, die bereits seit 2015 mit konkreten Vorschlägen für einen „single seat Straßburg“ von sich hören macht.

Zu den ideellen Gründen für Straßburg kommen laut Gericke nun aber auch „ganz handfeste finanzielle: Leider spielt das in der deutschen Berichterstattung bislang kaum eine Rolle, aber uns droht im baufälligen PHS-Bau und den angrenzenden ASP-Gebäuden in Brüssel eine mehrjährige Baustelle mit Kosten von bis zu 1 Milliarde Euro sauer verdientem Steuerzahlergeld. Das ist bei der angespannten finanziellen Lage der EU kaum darstellbar.“ In der Tat sieht der grundlegende „Welle-Plan“ für die Komplettsanierung des Gebäudes „Paul-Henry-Spaak“ knappe 400 Millionen Euro vor. Für das deutlich größere Gebäude „Altiero Spinelli“ könnten es bis zu 600 Millionen Euro sein. „Unverantwortliche Steuergeldverschwendung!“, sagt Gericke – auch im Schreiben an Merkel.

Sein konkreter Vorschlag: Anders als von der Parlamentsverwaltung wohl vorgeschlagen – hier spricht man (anstelle der teuren Anmietung hunderter Ersatzbüros und Tagungsräume in Brüssel) von einem übergangsweisen Umzug des Parlaments nach Straßburg – fordert Gericke: „Vergessen Sie die Bruchbude in Brüssel: Eine Ruine ist kein ernsthafter ‚single seat‘.“ Stattdessen solle die Verwaltung alle Kräfte mobilisieren, um den Komplettumzug nach Straßburg nach der nächsten Europawahl 2019 vorzubereiten. Frankreich solle die aktuell entstehenden, fürs Parlament reservierten Bürotürme gegenüber des Plenargebäudes „dem Parlament für einen symbolischen Euro“ verkaufen und damit „ausreichend Raum für einen Vollsitz garantieren“ – statt über die europäischen Kassen „jetzt nochmal eine Milliarde in den Brüsseler Boden zu versenken: Es wäre nicht gut, Europas parlamentarische Zukunft ein zweites Mal auf Sand zu bauen“, so Gericke: “Es spricht viel für den intakten, entwicklungsfähigen Standort Straßburg. Und es liegt an Ihnen, im Rat die Weichen für eine bürgerfreundliche Festlegung auf einen Sitz und politischen Arbeitsort des Parlaments zu stellen.”

Und aus deutscher Warte fügt er hinzu: “Ein ‚single seat‘ in Straßburg ist von enormer Bedeutung für die Wirtschaftsregion Oberrhein. Ein Europaparlament, das auf Dauer in Straßburg tagt, wird auch in Baden-Württemberg mittelfristig bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze schaffen”, so zitiert Gericke aus einem Positionspapier seiner “Kammerzell-Gruppe“.

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