Die bürgerlichen Parteien Frankreichs stehen vor einer schweren Entscheidung

Nach dem erdrutschartigen Sieg der Rechtsextremen bei den Regionalwahlen in Frankreich haben die einstmals etablierten Parteien jetzt nur noch eine Pflicht – das Schlimmste zu verhindern.

Der sozialistische Spitzenkandidat der PS in Ostfrankreich, Jean-Pierre Masseret, entpuppt sich gerade als fleißiger Wahlhelfer des Front National. Foto: Pascal Himmelsbach / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wenn man, wie der sozialistische Spitzenkandidat Jean-Pierre Masseret in der neuen ostfranzösischen Großregion Elsass-Lothringen-Champagne-Ardenne (ACAL) gerade einmal von 16,11 % der Wählerinnen und Wähler gewählt wird, dann könnte man ja auf die Idee kommen, dass die Wählerinnen und Wähler einen nicht in irgendeiner Regierungsverantwortung sehen wollen. Denn sonst hätten ja deutlich mehr Menschen für Herrn Masseret gestimmt. Nun waren es aber lediglich 16,11 %, die diesen Wunsch geäußert haben und das führt zu einer Situation, in der Herr Masseret entweder den Weg für eine „republikanische Union“ mit den Konservativen hätte freimachen können, um den Erfolg des rechtsextremen Front National im letzten Moment zu verhindern, aber Herr Masseret besteht auf seinem zweiten Wahlgang, was vermutlich gleichbedeutend mit einem Erfolg des rechtsextremen Kandidaten Florian Philippot in Ostfrankreich ist. Aber all das haben sich die fleißigen Aktenträger und Berater des sozialistischen Spitzenkandidaten offenbar nicht getraut, ihrem Chef klarzumachen.

Wie panisch das politische Frankreich auf die Klatsche vom Sonntag reagiert, konnte man gestern in den Livetickern verfolgen. Während in Paris der PS-Generalsekretär Jean-Christophe Cambadélis bei den Kollegen von RTL bereits verkündete, dass seine Partei ihre Liste in der ostfranzösischen Großregion für den zweiten Wahlgang am nächsten Sonntag zurückziehen würde (zusammen mit der zähneknirschenden Wahlempfehlung für den konservativen Kandidaten Philippe Richert), tönte Masseret, dass für ihn ein Rückzug nicht in Frage käme. Und dass er beabsichtigt, seine Liste für den zweiten Wahlgang noch am Nachmittag einzureichen. Diese  starrköpfige Haltung zeigt, dass selbst das desaströse Ergebnis der bürgerlichen Parteien vom Sonntag noch nicht ausgereicht hat, der politischen Kaste in Frankreich deutlich zu machen, wo das Land gerade steht. Nämlich am rechtsextremen Abgrund.

Bei den Konservativen sieht es, was das Verständnis der Situation anbelangt, leider auch nicht besser aus. Philippe Richert, der Spitzenkandidat der konservativen „Republikaner“, schloss kategorisch jede Zusammenlegung der bürgerlichen Listen aus – was bestätigt, dass der in den Umfragen noch favorisierte Richert, der satte 11 % (!) hinter dem FN-Kandidaten Philippot ins Ziel kam, auch noch nicht verstanden hat, was die Stunde geschlagen hat. Viel Zeit zum Erlangen zum Verstehen der Situation bleibt nicht – am Sonntag ist die Stichwahl.

Natürlich ist die Entscheidung, sich vom zweiten Wahlgang zurückzuziehen, weder für die PS, noch für die „Republikaner“ einfach. Doch in einer Situation, in der es nur noch darum geht zu verhindern, dass das Land in die Fänge von Ausländer hassenden, europafeindlichen und ultranationalistischen Kräften gerät, sollte die Parteitaktik endlich einmal eine untergeordnete Rolle spielen – denn jetzt geht es um Frankreichs Zukunft. Was bisher offenbar nur der umtriebige Jean-Christophe Cambadélis von der PS verstanden hat, der nun nach und nach die abgeschlagenen PS-Listen dort zurückzieht, wo der Front National kurz davor steht, die Macht zu ergreifen.

Frankreich spielt gerade nicht mit dem Feuer, sondern hat die Lunte zu einem politischen Pulverfass längst angezündet. Was die große Mehrzahl der „Republikaner“ und der Sozialisten aber nicht davon abhält, so weiter zu machen, als ob nichts geschehen wäre. Im Grunde müssten sich beide Parteien an einen Tisch setzen, bis Donnerstag gemeinsame Listen und Wahlempfehlungen für diejenigen der 13 französischen Regionen erarbeiten, in denen der Front National vorne liegt, und dann noch zwei Tage lang massivst die Werbetrommel rühren, um die eigenen Wählerinnen und Wähler, aber auch die Nichtwähler davon zu überzeugen, dass jetzt nur noch so etwas wie die „republikanische Einheit“ das Land vor diesem rechtsextremen Abgrund retten kann. Ob die politischen Schwergewichte Frankreichs in der Lage sind, einen so einfachen Umstand zu erkennen und umzusetzen, ist allerdings mehr als fraglich. Denn Politiker wie Jean-Christophe Cambadélis sind bei unseren Nachbarn leider immer noch die Ausnahme. Die nächsten Tage werden im politischen Frankreich mehr als spannend…

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