SC Freiburg: Die Bundesliga ist kein Quartettspiel
Interview mit Freiburgs ‚Sportdirektor Technik‘ Klemens Hartenbach
(Von Arne Bicker) - Der südbadische Fußball-Bundesligist SC Freiburg hat in dieser Woche zwei Spieler nachverpflichtet, den Stürmer Dani Schahin (25), vom FSV Mainz 05 und den Innenverteidiger Marc Torrejón (28) vom Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern. Der ehemalige SC-Torwart Klemens Hartenbach hat auch diese Neuzugänge kurz vor dem Transferschluss am 2. September eingefädelt. Als ‚Sportdirektor Technik‘ ist Hartenbach zuständig für das Scouting; sein Amtskollege Jochen Saier schließt als ‚Sportdirektor Management‘ die Verträge mit Spielern und deren Beratern ab. Hartenbach feiert am Freitag dieser Woche seinen 50. Geburtstag und beantwortete unsere Fragen zur Transferpolitik des SC Freiburg.
Herr Hartenbach, die Ausleihe des Angreifers Dani Schahin war wohl keine Reaktion auf die 0:1-Niederlage des Sport-Clubs am Samstag in Frankfurt?
Hartenbach (lacht): Nein, Dani hatten wir schon zu Düsseldorfer Zeiten im Auge. Er hat sich dann für Mainz entschieden, aber nun konnten wir es doch noch umsetzen.
Schahin war lange verletzt und hat in der zurückliegenden Spielzeit für Mainz nur drei Bundesligaspiele absolviert. Muss der SC Freiburg mit seinen vergleichsweise begrenzten finanziellen Mitteln das nehmen, was übrig bleibt?
Es ist bei uns immer noch eine Positivauswahl, also wir nehmen nicht das, was übrig bleibt, sondern wir entscheiden selbst, welche Spieler wir wollen. Dann allerdings kann es öfter passieren, dass wir diese Spieler dann doch nicht bekommen, wenn Ablöse- oder Gehaltsvorstellungen in solchen Dimensionen liegen, dass sie bei uns innerbetrieblich für Unruhe sorgen würden.
Der frühere SC-Sportdirektor Dirk Dufner sagte einmal, jeder Pizzabäcker hielte sich heute für einen Spielervermittler. Werden Sie auch von derartigen Angeboten überschwemmt?
Ich mache diesen Scoutingjob jetzt über fünf Jahre, bin aber immer noch in der Siebungsphase: Welcher Spielerberater meint es etwas besser mit den Spielern, und wer denkt nur an den nächsten Moment und an das schnelle Geld? Da kann man schon Unterschiede erkennen, und wir können es uns ja aussuchen, mit wem wir lieber mehr und mit wem lieber weniger zu tun haben wollen.
Dani Schahin ist nun neben Admir Mehmedi, Karim Guedé, Sebastian Freis und Philipp Zulechner der fünfte Stürmer im SC-Kader. Ist das die Auswahl, die ein Bundesligist braucht?
Es ist so, dass Dani zwei starke Komponenten hat: Sein Kopfballspiel und seine Körperlichkeit. Da denken wir, dass uns das noch ein bissel fehlt für bestimmte Momente. Andere sind vielleicht taktisch einen Schritt weiter, so dass unser Trainer Christian Streich jetzt für die jeweilige Situation entscheiden kann, welches Stürmerpärchen zum Beispiel er an welchem Wochenende einsetzen will. Den Stürmer, der alle Anforderungen erfüllt, den hätte jeder Verein gerne; wir haben ihn nicht. Und ich glaube, den gibt’s auch relativ selten.
Ihr Angreifer Karim Guedé bringt doch eine ausgeprägte Körperlichkeit mit…
Ja, das stimmt, dafür strotzt er nicht gerade vor Torgefährlichkeit, auch weil er aus einer tieferen Position kommt. Dani ist einfach ein gelernter Stürmer, der weiß, wo das Tor steht. Ich hoffe, er findet das auch hier bei uns relativ schnell.
Was ist denn mit Philipp Zulechner? Der wurde als österreichischer Toptorjäger eingekauft, spielt jetzt aber in der zweiten Mannschaft des SC. Hat er die Erwartungen nicht erfüllt?
Philipp ist ja erst ein halbes Jahr hier. Wenn man nicht gerade Max Kruse heißt, der das auf Anhieb geschafft hat, dann erwarten wir schon gerade im Offensivbereich eine hohe Variabilität von den Spielern. Beim einen Spieler dauert das ein wenig länger, andere passen sich schneller an. Philipp Zulechner braucht einen Tick länger. Da wird kein Stab gebrochen über ihm, aber Philipp braucht mehr Konstanz. Manchmal bringt er wirklich tolle und bundesligareife Aktionen im Training, dann aber wechselt sich das noch zu häufig ab mit Dingen, die unser Spiel negativ beeinflussen würden. Dieses Wechselhafte muss er in den Griff bekommen, aber daran arbeitet er.
Gerade im Bereich des Angriffs ist es sicher heikel, die Einkaufspolitik zu lenken. Garra Dembélé war seinerzeit der teuerste Einkauf des SC, konnte aber nie Fuß fassen, während Papiss Demba Cissé hier voll durchstartete und viele Tore und Millionen brachte. Ist die Auswahl der geeigneten Stürmer für einen Proficlub ein Vabanque-Spiel?
Nein, das würde ich nicht sagen. Es gibt schon klare Fakten, die man als Checkliste an Voraussetzungen, die ein Spieler mitbringen sollte, abarbeiten kann. Aber gerade Stürmer sind oft ganz eigene Typen, die in so einer Kopfsache drinstecken. Selbst Pappis Cissé hat da einige Spiele Anlauf gebracht. Der eine hat am Anfang ein Erfolgserlebnis, und dann läuft’s, und der andere hat’s eben nicht, oder die neuen Sport- und Lebensumstände erschweren es nochmal. Das ist kein Vabanque-Spiel, aber es ist schon so, dass bei uns meistens etwas mehr Hoffnung drinsteckt, als wenn Borussia Dortmund sich einen Spieler holt. Die haben dann vielleicht mehr Checkpunkte bei einem Spieler geklärt, was ihn eben auch dementsprechend teurer macht. Wir müssen immer hoffen, dass unsere Einkäufe gewisse Mängel bei uns noch abstellen, indem sie dazulernen. Und dieses Lernen geht nicht immer gleich schnell und gut, und manchmal geht es eben nicht.
Ist der SC Freiburg der Ausbildungsverein durch und durch, bei dem auch sogenannte ‚gestandene‘ Spieler im Alter von 28 bis 32 Jahren noch dazulernen müssen?
Ich weiß es nicht, ob wir damit eine Ausnahme sind. Aber ich finde es gut so, weil es die Basis all unserer Zusammenarbeit ist, dass jeder von den Jungs weiß, es stimmt nicht, wenn er denkt: „Ich renne doppelt so viel, und der andere bekommt doppelt so viel Geld.“ Diese Dinge wollen wir vermeiden, wir wollen alles beieinander halten für eine gute Zusammenarbeit. Vielleicht interessiert es die Spieler als Profis manchmal gar nicht so sehr, aber wir sehen das als ein wichtiges Fundament an.
Gerade haben Sie noch einen Innenverteidiger verpflichtet, den 28-jährigen Spanier Marc Torrejón vom Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern. In der ersten Partie am vergangenen Samstag in Frankfurt hat auf dieser Position überraschend der junge Marc-Oliver Kempf gespielt statt des von vielen erwarteten Stefan Mitrovic. Fußball ist bei Ihnen also kein Quartettspiel, wo derjenige Rennwagen mit mehr PS oder Hubraum den anderen aussticht…
Nein, das wäre ja auch schlimm, da würde man als Trainer oder Verantwortlicher ganz schnell unglaubwürdig. Als ich mit Christian Streich zusammen die A-Jugend trainiert habe, da waren die vermeintlich privilegierten Spieler jene, die von weit außerhalb ins Internat aufgenommen wurden. Aber gespielt hat dann immer der bessere, auch wenn der aus Denzlingen kam. So ist das auch bei den Profis: der eine braucht halt länger, und der andere ist sofort da. Ob der eine Ablöse gekostet hat und der andere nicht, das spielt absolut keine Rolle.
Es gibt ja inzwischen längst auch Bundesliga-Manager-Spiele für den PC, mit Scouting, Spielerverkäufen und Ähnlichem. Müssen Sie schmunzeln, wenn Sie das mitbekommen, weil es für Sie ein hartes, tägliches Geschäft ist?
Da muss ich nicht weit schauen, mein Sohn ist mit fünfzehn Jahren auch in dem Alter, der fragt mich dann, warum wir nicht di Maria kaufen für was weiß ich wie viele Millionen. Das ist eigentlich virtuell, aber plötzlich wird da mit Riesenzahlen jongliert. Ich mag das nicht, aber es ist mir trotzdem lieber, ein Junge in dem Alter beschäftigt sich mit Fußball als mit irgendwelchen anderen Computerspielen. Aber klar, man verliert da schon ein bisschen den Bezug zur Realität, weil da Geld und Waren und Spieler eine Rolle spielen. Die Jungs meinen dann, sie kennen sich im Fußball aus, und mein Sohn hat mich schon mal gefragt: Warum können wir nicht diesen oder jenen Spieler kaufen, der hat 75 Prozent Schnelligkeit und 80 Prozent von jener Eigenschaft. Da muss ich dann doch schmunzeln, aber insgesamt geht das schon in eine Richtung, in der diejenigen, die das spielen, manchmal den Boden unter den Füßen verlieren.
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