Die da oben und wir da unten…

Die französischen Abgeordneten verfügen über ein Sonderbudget, die „Réserve Parlementaire“, das sie nach Gutdünken verteilen können. Ein wenig nach Gutsherrenart.

Die Abgeordneten des französischen Parlaments können jährlich 80 Millionen Euro verteilen. Foto: Clicsouris / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Manchmal erinnert das französische Politiksystem noch an das ausgehende Mittelalter. Eines der Elemente, die dafür sorgen, dass dies so ist, ist die „Réserve Parlementaire“, ein Budget, das jedem Abgeordneten zum Verteilen zusteht. Für einfache Abgeordnete beträgt dieses Budget immerhin 130.000 € im Jahr, Mitglieder des Vorstands des Parlaments verfügen über 140.000 €, die Vizepräsidenten des Parlaments, Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende von Kommissionen dürfen 260.000 € unters Volk bringen und der Parlamentspräsident gar 520.000 €. Natürlich dürfen die Abgeordneten dieses Geld nicht einfach in die eigene Tasche stecken, aber die Art und Weise, wie das Geld verteilt wird, hat schon ein Gschmäckle. Denn natürlich wird das Geld dort eingesetzt, wo sich die Abgeordneten Stimmen von Wählerinnen und Wählern erhoffen.

Dieses an die Feudalzeiten erinnernde System ist ein zweischneidiges Schwert – denn auch, wenn es nach „Stimmenkauf“ aussieht, so gibt es zahlreiche Vereine oder Projekte, die ohne die Zuwendungen ihrer Abgeordneten ernste Schwierigkeiten hätten. Und genau das ist ja beabsichtigt – dass die begünstigten Organisationen die Dankbarkeit entwickeln, die dem großzügigen Abgeordneten bei der nächsten Wahl Stimmen bringen.

Dem sozialistischen Parlamentspräsidenten Claude Bartolone ist es zu verdanken, dass diese Praxis nun transparent ist. Bartolone hatte vor drei Jahren dafür gesorgt, dass die Liste der Zuwendungen jedes einzelnen Abgeordneten auf einer eigenen Internetsite veröffentlicht wird, was den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht nachzuschauen, wohin die insgesamt immerhin 80 Millionen Euro fließen, die von den Abgeordneten verteilt werden.

Die Empfänger sind karitative Organisationen, Vereine und Verbände, aber auch Kommunen und städtische Budgets, beispielsweise als Zuschuss für die Renovierung von Sporthallen und anderen Dingen. Meistens werden die Budgets in ziemlich kleine „Häppchen“ aufgeteilt, ab 1000 € aufwärts, woraus man ablesen kann, dass die Abgeordneten bemüht sind, möglichst viele Menschen in den Genuss ihrer „Wohltaten“ kommen zu lassen – denn das bringt mehr Wählerstimmen, als würde man die Zuwendungen auf wenige Empfänger mit höheren Beträgen reduzieren.

Ab sofort kann man nachschauen, wohin diese 80 Millionen Euro gegangen sind – und zwar, hochmodern, pro Abgeordnetem, pro Fraktion oder insgesamt. Was dann ein ziemlich moderner Umgang mit einem Anachronismus ist, der den Graben, der zwischen Herrschenden und Volk in Frankreich immer noch besteht, hervorragend illustriert. Um diese Internetsite anzuschauen, müssen Sie nur HIER KLICKEN.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste