Die drei Titel, um die sich der Europäer Wolfgang Schäuble bewirbt…

Zum Jahresende hätte der Bundesfinanzminister gerne einen von drei Titeln. Aber irgendwie sieht es so aus, als sollte es mal wieder mit keinem dieser Titel klappen. Der Mann ist auf Platz 2 abonniert.

Auch 2015 wird es für Wolfgang Schäuble wohl kaum einen Titel geben... Foto: (c) Robin Krahl / Source: Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0

(KL) – Wolfgang Schäuble bewirbt sich gerade um mehrere Titel gleichzeitig – das Jahresende scheint ihm gut zu bekommen. Doch am Ende könnte es auch sein, dass er, wie so oft in seiner Karriere, ohne Titel aus dem Rennen geht. Da wäre seine unausgesprochene Bewerbung als „Interims-Kanzler“, dann eine unausgesprochene Bewerbung als „Bester Europäer des Jahres“ und gleichzeitig auch die als „Schlechtester Europäer des Jahres“. Aber der Reihe nach…

Wolfgang Schäuble, der in der deutschen Politik das ist, was Bayer Leverkusen im Fußball ist, nämlich der ewige Zweite ohne Titel, wäre einstmals so gerne Nachfolger von Helmut Kohl als Bundeskanzler geworden. Das klappte aber nicht, weil plötzlich Angela Merkel auf der Bühne der deutschen Politik auftauchte und ihm den Posten auch deshalb wegschnappen konnte, weil Schäuble für seinen Chef Helmut Kohl in der Parteispendenaffäre den Kopf hinhalten musste. Nun, da Angela Merkel auch in der CDU mächtig unter Druck steht, träumt Wolfgang Schäuble davon, dass er seine Partei überreden kann, Merkel im März 2016 auf den Posten der UNO-Generalsekretärin wegloben zu können, um seine Partei selbst als „Interims-Kanzler“ in die Bundestagswahl 2017 führen zu können. Doch da dürfte Schäuble die Rechnung ohne den politischen Machthunger einer Angela Merkel gemacht haben – für die ein Aufgeben sicher nicht in Frage kommt. Und Kanzlerkandidat 2017 wird Schäuble auch nicht werden.

Seine Bewerbung als „Bester Europäer des Jahres“ reichte Schäuble in Form eines Interviews am letzten Wochenende ein. Dort schlug er die Bildung einer europäischen Armee vor und kündigte an, dass Deutschland 2016 deutlich mehr Geld für internationale Militäroperationen ausgeben will. Eine europäische Armee? Der Vorschlag kommt zu einem unpassenden Augenblick. Denn momentan steht nicht die Frage einer europäischen Armee auf der Tagesordnung, sondern die grundsätzliche Frage, wer oder was Europa eigentlich ist. Wen soll eine europäische Armee verteidigen? Das neonationalistische Europa von Victor Orban, Robert Fico und Milos Zeman? Das deutsch-französische Tandem? Britische Interessen, kurz vor dem möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU? Die EU-Außengrenzen nach einem möglichen EU-Beitritt der Türkei, sprich an der syrischen Grenze? Wollen wir tatsächlich eine gemeinsame Armee mit einem Land wie Polen haben, das gerade sein eigenes Verfassungsgericht entmachtet hat? Das Schönste an Schäubles Vorschlag ist, dass er nett und richtungsweisend klingt und vor allem, dass Schäuble weiß, dass er sich nicht um eine mögliche Umsetzung wird kümmern müssen. Denn bevor sich die 28 EU-Mitgliedsstaaten auch nur ansatzweise auf eine gemeinsame Armee verständigt haben werden, dürften Wolfgang Schäubles Enkel bereits selbst auf die Rente zusteuern. Für den Titel „Bester Europäer des Jahres“ wird das nicht ausreichen.

Bessere Chancen hätte Schäuble da schon beim Titel „Schlechtester Europäer des Jahres“, denn trotz der sich überschlagenden Ereignisse zum Jahresende erinnern sich viele noch daran, wie Schäuble in diesem Jahr mit Griechenland umgesprungen ist. Wie er Griechenland nach den Referendum, mit dem die Griechen das Brüsseler Knebel- und Sparprogramm abgelehnt hatten, ein noch viel härteres Paket aufs Auge drückte, quasi als Strafe für „linke Aufmüpfigkeit“, die seinen innig geliebten „Märkten“ ans Leder wollte. Doch leider wird es auch hier nicht reichen – denn dieses Jahr gab es, man glaubt es kaum, noch wesentlich schlechtere Europäer als Wolfgang Schäuble. Wie den selbsternannten „Antidemokraten“ Victor Orban, der Flüchtlinge in Ungarn drangsaliert, den slowakischen Regierungschef Robert Fico, der gerade mal bereit ist, 200 syrische Flüchtlinge aufzunehmen, aber nur, wenn diese Christen sind oder Milos Zeman, den tschechischen Präsidenten, der sich in seiner Weihnachtsansprache zu der Aussage verstieg, dass die aktuelle Flüchtlingswelle eine „organisierte Invasion“ sei. Angesichts solcher Haltungen spielt Schäuble in der Endauswahl um diesen Titel keine Rolle mehr.

Aber immerhin – und da kann ihm keiner was – in Gengenbach in der Ortenau, da ist und bleibt Wolfgang Schäuble der König. Dieser Wahlkreis gehört ihm in Erbpacht und vielleicht wäre es gar keine schlechte Idee, würde Schäuble seine noch verbleibende Schaffenskraft in den Dienst der deutsch-französischen Zusammenarbeit am Oberrhein stellen. Hier könnte er tatsächlich noch Positives bewirken – Kalif an Stelle des Kalifen wird er ohnehin nicht mehr.

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