Die „Europa-Agenda 2020“ der Stadt Straßburg

Der Straßburger OB Roland Ries und seine Dezernentin für die internationale Zusammenarbeit Nawel Rafik-Elmrini haben die Europa-Strategie Straßburgs vorgestellt.

Der Straßburger OB Roland Ries hat die ehrgeizigen Pläne der Stadt Straßburg vorgstellt. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Die neuen „strategischen Orientierungen“ der Stadt Straßburg zu den Themen „Europa“ und „grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ klingen großartig. Doch wer das dazugehörige Dokument liest, der fragt sich, wer eigentlich die entsprechenden Arbeiten durchführen soll. Die Stadt Straßburg hat sicherlich die richtige Ausrichtung gefunden, doch muss sie aufpassen, dass sie nicht im Stadium der guten Absichten stecken bleibt – was zählt, sind einzig und allein die konkreten Ergbnisse vor Ort. Und die kann man in zwei Aussagen zusammenfassen: Zum einen muss alles dafür getan werden, dass Straßburg Sitz des Europäischen Parlaments bleibt, zum anderen muss die grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein mit neuer Dynamik wiederbelebt werden. Beides sind Aufgaben, die leichter klingen, als dass sie umgesetzt werden können.

Der gute Wille ist bei der Stadt Straßburg gegeben, keine Frage. Über die Bedeutung des Europäischen Parlaments in Straßburg muss nichts mehr gesagt werden – ein Umzug des Parlaments nach Brüssel wäre eine Katastrophe, nicht nur für die Region am Oberrhein, sondern auch für die europäische Demokratie, die heute mehr als je zuvor für ihre Glaubwürdigkeit kämpfen muss. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hingegen ist ein Thema, in dem man momentan auf den „Reset-Button“ klicken muss, um eine Art Neustart hinzulegen.

Im grenzüberschreitenden Bereich funktioniert es im Moment eigentlich nur im Projekt der Tram Straßburg-Kehl richtig gut und überall dort, wo sich die Zivilgesellschaft direkt um diese Zusammenarbeit kümmert. Dort, wo es um die institutionelle Ausgestaltung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geht, haben wir uns zuletzt eher zurück entwickelt, statt Fortschritte zu machen.

Insofern war die Vorstellung der „Europa-Agenda 2020“ der Stadt Straßburg mit Spannung erwartet worden. Konkrete Maßnahmen sind, zum Glück, auch geplant:

* Eine auf nationaler und internationaler Ebene anerkannte Persönlichkeit soll von Paris oder Brüssel auf das Lobbying pro Straßburg aus leiten. Für eine solche Aufgabe wimmelt es im Elsass nicht gerade vor qualifizierten Persönlichkeiten. Der einzige Name, der einem hier in den Sinn kommt, wäre Catherine Trautmann…

* Straßburg soll fester Tagungsort für die deutsch-französischen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs werden. Problem: Dies ist eine Entscheidung, die nur in Paris und Berlin getroffen werden kann; Straßburg (und die deutschen Partner!) können hierfür nur entsprechende Vorschläge einreichen.

* Das Netzwerk der drei europäischen Hauptstädte Brüssel, Luxemburg und Straßburg soll eine neue Dynamik erhalten. Auch kein einfaches Vorhaben, denn dies würde voraussetzen, dass Brüssel und Luxemburg mitspielen. Was vor allem für Brüssel mehr als fraglich ist, denn die belgische Hauptstadt würde gerne endgültig das Parlament von Straßburg übernehmen und dürfte kaum bereit sein, Aktionen mitzutragen, die den Status der Europahauptstadt Straßburg stärken könnten.

* Mit dem Europarat will die Stadt Straßburg eine strategische Partnerschaft eingehen, was sicher sinnvoll ist, aber erst dann bewertet werden kann, wenn es dann auch passiert. Als Beispiel ist eine stärkere Unterstützung für das „Weltforum der Demokratie“ angedacht, wobei die Partner bei den bisherigen drei Ausgaben leider völlig unambitioniert am Thema vorbei gearbeitet haben. Was zumindest heute nicht unbedingt zur Hoffnung Anlass gibt, dass es für die vierte Ausgabe besser wird.

* Was die Entwicklung des Eurodistrikts Straßburg-Ortenau angeht, darf man skeptisch sein. Die Ziele sind, neben dem konkreten Projekt der Tram zwischen Straßburg und Kehl, sehr schwammig gefasst. So will man die Zusammenarbeit mit Zürich, Frankfurt und Mannheim intensivieren, was eigentlich keine Aufgabe für einen Eurodistrikt ist und auch den Menschen in diesem Eurodistrikt herzlich wenig bringen dürfte. Aber jede Menge teurer Meetings zwischen Beamten in den genannten Städten beinhaltet.

* Dazu soll der Eurodistrikt eine „Plattform für das Metropolen-Lobbying“ werden. Das ist nicht nur erklärungsbedürftig, sondern wirft ebenfalls die Frage auf, warum sich ausgerechnet der Eurodistrikt darum kümmern muss. Weil die Trinationale Metropolregion Oberrhein (TMO) nur ein Potemkinsches Dorf ist, das in der Praxis der Menschen gar nicht vorkommt? Dann sollte eine solche Aufgabe doch eher bei der TMO angesiedelt werden, die für so etwas eigentlich zuständig sein sollte, aber bisher überall dort durch Abwesenheit glänzt, wo sie benötigt würde.

Die europäischen und grenzüberschreitenden Ambitionen der Stadt Straßburg sind groß. Das ist auch gut so. Doch sollte man auch einen realistischen Blick auf die Ressourcen haben, die für diese großen Vorhaben zur Verfügung stehen. Fakt ist, dass das Generalsekretariat des Eurodistrikts momentan von einem kommissarischen Leiter gemanagt wird, dem genau eine Mitarbeiterin zur Verfügung steht, ebenso wie die Ressourcen für die ehrgeizigen Brüsseler Pläne fehlen.

Wichtig wird es sein, für all diese Vorhaben auch die deutschen Partner auf gleicher Augenhöhe mitzunehmen, denn alleine wird Straßburg diese Aufgaben nicht bewältigen können. Angesichts der Tatsache, dass auch Baden enorm von der europäischen und internationalen Ausstrahlung Straßburgs profitiert, wäre es aber auch normal und richtig, würden sich die deutschen Partner in diesen Projekten voll engagieren. Bevor Entwicklungen eintreten, die dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Wie schnell das geht, haben die Elsässer gerade im Rahmen der Gebietsreform erfahren…

Sie können das Dokument der Stadt Straßburg lesen (auf Französisch), wenn Sie auf den folgenden Link klicken: orientations stratégiques-2014-2020.

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