Die „Fortschritts-Koalition“ nimmt Form an
Geht es doch schneller als erwartet? SPD, Grüne und die FDP haben die Eckpunkte für eine „Ampel-Koalition“ definiert. Diese werden jetzt ausverhandelt und dann könnte früher als gedacht eine neue Regierung stehen.
(KL) – Wenn sich drei Parteien zusammenfinden müssen, um ein gemeinsames Regierungsprogramm aufzustellen, dann liegt der Kompromiss in der Luft. Aber das ist gut so, denn dadurch wird eine Politik geführt, die von einer möglichst großen Mehrheit getragen werden kann. Seit Freitag stehen nun die Eckpunkte für ein gemeinsames Regierungsprogramm zwischen SPD, Grünen und FDP, die jetzt ausverhandelt werden. Dazu wird es noch ein wenig Gepoker um die Ministerposten geben, aber ab sofort ist die Bundesrepublik auf dem Weg zur „Ampel“.
In der Präambel zum Verhandlungspapier steht: „Wir sind eine Konstellation, die drei Parteien mit unterschiedlichen Traditionen und unterschiedlichen Sichtweisen zu einem innovativen Bündnis zusammenbringen kann. Wir können einen Beitrag leisten, politische Frontstellungen aufzuweichen und neue politische Kreativität zu entfachen.“ Klingt gut, auch, wenn diese schönen Sätze eigentlich noch nichts aussagen, außer dem Willen, innovativ tätig zu werden.
Mit diesem Positionspapier wollen SPD, Grünen und FDP „einen neuen gesellschaftlichen Aufbruch auf Höhe der Zeit“ bewerkstelligen“ und ein „Jahrzehnt der sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen, digitalen und gesellschaftlichen Erneuerung“ einläuten. Das klingt ambitioniert, am Ende wird man sehen, was von diesen Plänen in der Praxis bestehen bleibt.
Dass die drei Parteien kompromissbereit sind und mehr oder weniger zähneknirschend Zugeständnisse machen, erkennt man an den Hauptpunkten, die nun ausverhandelt werden. So ist der Mindestlohn von 12 €/Stunde sicher nicht das Lieblingsthema der FDP, der Verzicht auf ein Tempolimit auf den Autobahnen dürfte für die Grünen schwer zu schlucken sein und dass der Ausstieg aus der stark umweltbelastenden Kohleenergie auf das Jahr 2030 vorgezogen werden soll, verlangt der SPD einiges ab, hatte diese doch in der „GroKo“ das Ende der Kohleenergie auf 2038 programmiert.
Interessant ist das Vorhaben, das komplizierte „Hartz IV“ durch ein „Bürgergeld“ zu ersetzen, in dem mehrere Sozialleistungen zusammengefasst werden können. Das ist zwar noch kein bedingungsloses Grundeinkommen, aber ein interessanter Schritt weg aus der Verwaltung von Armut, hin zu einer besseren Integration und Lebensqualität für sozial benachteiligte Menschen.
Wie das umfangreiche Programm finanziert werden soll, muss jetzt in den Koalitionsverhandlungen verhandelt werden – doch sind sich alle drei Parteien einig, dass es keine Steuererhöhungen geben soll.
Der Auftakt ist gemacht und es sieht ganz danach aus, als könnten sich die drei Parteien einigen. Interessant ist, dass viele der Eckpunkte die Handschrift der FDP tragen. Christian Lindner hat es geschafft, dass die kleinste der drei möglichen Koalitionsparteien das größte Gewicht zu haben scheint. Und für die CDU steht nun tatsächlich der ungewohnte Gang auf die Oppositionsbank an. Nach drei Jahrzehnten unter Helmut Kohl und Angela Merkel ist nun die Zeit für ein wenig frischen Wind gekommen.
Aber auch, wenn die neue Koalition noch nicht steht, sind die politischen Ansätze interessant. Eine starke soziale Ausrichtung dürfte der rote Faden sein, der sich durch die nächste Legislaturperiode ziehen könnte, wenn sich dann alle darauf verständigen können. Die Zeichen stehen also auf politischen Wechsel, der die deutsche Politik modernisieren könnte, auch, wenn es in einer Dreier-Konstellation kaum zu einer politischen Revolution kommen wird.
Auf jeden Fall sieht es danach aus, als sollte die Bildung der nächsten Koalition schneller gehen, als man das am Wahlabend vermuten konnte. Ob die nächste Weihnachtsansprache im Fernsehen doch schon von Olaf Scholz vorgetragen wird?
Ich übrigens weiß schon jetzt, wer die derzeit so oft in politischen Orakeln bemühte Weihnachtsansprache halten wird: ein gewisser netter älterer Herr ohne Bart namens Steinmeier. Wer dann schiesslich die salbungsvolle Rede zum neuen Jahr halten wird, dürfte allerdings ziemlich egal sein, wenn schon ein Friedrich Merz über das Ampel-Sondierungspapier sagt, dass er das auch so unterschrieben hätte. Alle Achtung für das Verhandlungsgeschick von Knecht Ruprecht Lindner, den eigentlichen Herrscher in den vermeintlich weihnachtlichen Stuben…
Das, lieber Michael, sehen wir ähnlich – der neue, starke Mann der “Ampel” ist Christian Lindner, der zeigt, dass er ganz schön geschickt ist…