Die Frage der katalanischen Europaabgeordneten ist weiter offen

Gestern konnten Carles Puigdemont und Toni Comin erstmals das Europäische Parlament in Strassburg betreten. Doch es fehlte Oriol Junqueras und Spanien will den Status der katalanischen Abgeordneten weiter anfechten.

Der demokratisch gewählte katalanische EU-Abgeordnete Carles Puigdemont (und Toni Comin) konnte nun ins Europäische Parlament einziehen. Foto: Generalitat de Catalunya / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Es war ein großer Moment für die europäische Demokratie. Geschützt durch die im Dezember vom Europäischen Gerichtshof bestätigten Immunität konnten Carles Puigdemont und Toni Comin, beide in Katalonien demokratisch gewählte Europaabgeordnete, endlich das Europäische Parlament betreten. Allerdings fehlte der in Spanien aus politischen Gründen inhaftierte Oriol Junqueras und auch für die beiden in Freiheit befindlichen EU-Abgeordneten will es Spanien nicht beim Status Quo bewenden lassen. Der von Spanien beim Parlament eingereichte Protest wird nun erst einmal in aller Ruhe geprüft werden. Eilig wird es das Parlament damit allerdings nicht haben.

Es ist ein juristisches Kopfzerbrechen. Laut spanischer Verfassung müssen die spanischen EU-Abgeordneten persönlich in ihrer Heimatgemeinde ein Dokument unterzeichnen und danach meldet Spanien die Liste seiner EU-Abgeordneten nach Brüssel und Straßburg. Doch Puigdemont und Comin, die beide per Haftbefehl wegen „Rebellion und Untreue“ gesucht werden (die „Untreue“ bezieht sich auf das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens, das Spanien als verfassungswidrig betrachtet und daher auch die damit verbundenen Kosten als illegale Ausgaben wertet) hatten zwar angeboten, dieses Dokument im Ausland zu unterzeichnen, doch das lehnte Spanien ab.

Richtig schwierig wird es bei der juristischen Bewertung, wenn man berücksichtigt, dass die spanische Verfassung die Unteilbarkeit des spanischen Staatsgebiets vorsieht und damit das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens rechtlich in der Tat verfassungswidrig war. Nur – die politische Forderung nach Unabhängigkeit muss Gegenstand einer offenen Diskussion sein und sollte nicht durch juristische Winkelzüge gelöst werden. Doch die Regierung in Madrid sinnt eher auf Rache und die Disziplinierung Kataloniens als auf eine politische Lösung. So war auch der politische Schauprozess gegen 12 katalanische Führer eine Farce, die mit Haftstrafen bis zu 15 Jahren endete – womit Madrid die katalanischen Märtyrer für die nächsten 15 Jahre schaffte – so lange auch nur ein katalanischer politischer Häftling in einem spanischen Gefängnis sitzt, wird es in Katalonien kein ruhiges Hinterland geben.

Spanien hat sofort gegen die Akkreditierung von Carles Puigdemont und Toni Comin protestiert und erkennt die beiden (plus Oriol Junqueras) nicht als spanische EU-Abgeordnete an. Nur – es kann nicht Aufgabe des Europäischen Parlaments sein, den Konflikt zwischen Madrid und Barcelona zu klären und gleichzeitig kann es im Sinne der europäischen Demokratie nicht sein, dass demokratisch gewählte Abgeordnete nicht ihren Sitz einnehmen können, weil ihre politische Haltung der Zentralregierung nicht passt. Würde sich so etwas durchsetzen, gäbe es eine Menge Abgeordneter aus vielen Ländern, die nicht im Parlament sitzen könnten. Die demokratische Meinungsvielfalt ist ein hohes, schützenswertes Gut, mit dem man nicht spielen sollte.

Jede Wette – die juristische Klärung der Frage, ob Carles Puigdemont und Toni Comin rechtmäßig im Europäischen Parlament sitzen, wird ungefähr bis zum Ende dieser Legislaturperiode andauern. Es wird Rechtsgutachten geben, Gegengutachten, Entscheidungen, Widersprüche, Wiederaufnahmen und das alles wird lange genug dauern, dass die Legislaturperiode herumgeht, ohne dass sich das Parlament für die eine oder die andere Seite entscheiden wird. Nur Spanien wird mächtig aufs Tempo drücken, denn die Präsenz der beiden katalanischen Abgeordneten im Europäischen Parlament ist eine schwere politische Niederlage für Madrid.

Der Konflikt zwischen Katalonien und Spanien wird weder in Brüssel, noch in Straßburg gelöst werden können. Und Spanien wäre gut beraten, einen Gang herunterzuschalten und auch die Haftstrafen für die katalanischen politischen Häftlinge zu überprüfen. Denn die Zeiten des Frankismus sind vorbei und Madrid sollte seinen Kampf gegen Katalonien auf zwei Schauplätze beschränken – Das Camp Nou in Barcelona und das Stadion Bernabeu in Madrid. Bis es zu weiteren Entwicklungen kommt, ist es der richtige Zeitpunkt, Carles Puigdemont und Toni Comin im Europäischen Parlament willkommen zu heißen.

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